Über den Dächern von München ist eine honigsüße Einsatzgruppe unterwegs. Aber nicht, um für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, sondern um Pollen und Nektar zu sammeln.

Text Lukas Liebig

Polizeiinspektion 11 in München, Altstadtrevier. Im sechsten Stock, gleich nach der Männerumkleide, öffnet Jürgen Brandl die Tür zur großen Dachterrasse. „Dort“, sagt er lächelnd, „ist die 8. Dienststelle der gestreiften Polizei.“ Über 40 000 schwarzgelb gestreifte Beamte fliegen über die Dächer von München, sammeln Nektar und Pollen im Englischen Garten oder in den Isarauen.

Gegen das Insektensterben

Die Polizei München hält an acht Standorten Bienenvölker in ihren Revieren. Polizisten, die sich zum Imker fortgebildet haben, kümmern sich um die Völker. Einer von ihnen ist Polizeihauptkommissar Jürgen Brandl. Er ist zugleich Ideengeber des Projektes und imkert seit mehr als sieben Jahren. „Wir möchten auf das starke Insektensterben der letzten Jahre aufmerksam machen. Deswegen wollten auch wir bei der Polizei etwas dagegen tun und nicht nur reden“, erklärt Brandl. Seit drei Jahren halten die Polizisten Bienen. Und das funktioniere sehr gut, die Bienen fühlen sich in der Stadt richtig wohl, meint Brandl. Die Vereinten Nationen zeichneten das Projekt in diesem Jahr sogar aus.

Gesunde Bienenvölker

Brandl besucht die Bienenvölker regelmäßig – alle vier Wochen. Vorsichtig zieht er aus dem Bienenstock eine weiße Schale, er hält sie ins Licht, um genau hinzusehen. Kleine Wachsplättchen, braune Punkte, winzig kleine, tote Milben. „Anhand der Müllschale des Bienenstockes sehe ich sofort, wie es meinem Volk geht. Die kleinen Milben, die Varroamilben, sind der Grund für das Bienensterben. Das betrifft fast jeden europäischen Stock“, erklärt Brandl. Das Problem an den Milben ist, dass sie sich an den Panzer der Biene heften. Dadurch entsteht ein nicht verschließbares Loch, durch das Bakterien und Krankheiten an die Biene gelangen. „Einen Schutz gegen die Milben gibt es nicht.“ Damit sich die Bienen selbst vor den Milben schützen können, züchtet man aggressivere Bienen, die sich gegen die Schädlinge wehren. „Auch mein Volk ist nicht das sanfteste“, sagt Brandl lächelnd.

Bienenfreundliche Umgebung schaffen

Der größte Feind der Bienen ist jedoch immer noch der Mensch. Da auf dem Land immer mehr Wiesen und Grünstreifen Anbaufeldern weichen, haben die Bienen Probleme, Nahrung zu finden. „Bienen finden in der Stadt mehr Nahrung. Und verschiedene – durch die Pflanzen auf Balkonen und auf den Friedhöfen haben die Bienen mehr Vielfalt“, sagt Brandl. Doch einfach schnell Bienen anschaffen, davon rät der Polizeihauptkommissar ab. „Man braucht viel Erfahrung, um sich richtig um Bienen zu kümmern. Denn sonst werden die Völker krank.“

Ein Schwarm fliegender Bienen

Imkern für alle

Die Uhr an der Frauenkirche zeigt 15.43 Uhr. Ein Kollege von Brandl kommt raus aufs Dach des Altstadtreviers. Mittlerweile haben die Polizisten keine Angst mehr, wenn sie bei den Bienen sind. „Zu Beginn gab es Unsicherheiten. Aber niemand braucht Angst zu haben, denn die Bienen haben noch nie jemanden gestochen“, sagt Brandl. „Hier kümmern sich die imkernden Beamten in ihrer Mittagspause oder nach Dienstschluss um die Bienenvölker. Bevor ein Polizist ein eigenes Volk bekommt, empfehle ich meinen Kollegen immer, dass sie am besten ein Jahr lang einen Imkerkurs besuchen. Anschließend sollten die Beamten einem befreundeten Imker eine Zeit lang über die Schulter schauen, damit sie sich Erfahrung und Wissen aneignen können, um sich um unsere kleinen, schwarzgelb gestreiften Helfer zu kümmern.“

9,6 Millionen Kilometer für 30 Kilo Honig

Die Polizeibienen sind fleißig. Bis zu 30 Kilogramm Honig produziert ein Volk pro Jahr. „Damit eine Biene 500 Gramm Honig herstellen kann, muss sie rund vier Mal um die Welt fliegen“, sagt Brandl. Das sind pro 30 Kilo Honig 9,6 Millionen Kilometer. Sie arbeiten sich sprichwörtlich zu Tode. 1,50 Euro pro verkauftem Glas spendet die Polizei an Naturschutzorganisationen.

Jeder kann etwas gegen das Bienensterben tun!

Doch nicht nur die Polizisten können etwas für die Bienen tun, auch die Verbraucher: Honig aus den Supermarkt, der meist aus amerikanischen Ländern kommt, sollte aufgrund langer Transportwege und möglicher Antibiotikarückstände nicht gekauft werden. Lieber von einheimischen Imkern. „Zu Hause oder im Garten pflanzt man am besten heimische Pflanzen wie Tulpen oder Krokusse, die kommen bei den Bienen besonders gut an. Wichtig ist, dass man sich in der Gärtnerei darüber informiert, ob die Pflanzen für Bienen geeignet sind“, rät Brandl. Damit die Bienen über den Dächern der Städte, nicht nur in München, fleißig sammeln können.

Eine Biene

Münchener Polizeibienen

Ein Bienenvolk besteht aus 40 000 bis 60 000 Bienen.

Es gibt Arbeiterinnen, Drohnen und die Königin. Die Arbeiterinnen sammeln den Honig ein und kümmern sich um die Brut, die Königin legt Eier und die Drohnen befruchten die Königin.

In einem Radius von bis zu fünf Kilometer um ihren Bienenstock sammeln die Arbeiterbienen Nahrung und Pollen.

Die Nahrung benötigen die Bienen für den Aufbau des Bienenstockes, für die Versorgung des Volkes und für die Produktion von Honig und Wachs, welches sie für den Bau ihrer Waben nutzen.

Ein Bienenvolk produziert rund 20 bis 30 Kilo Honig pro Jahr.

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Fotos: © Irin K; Marcel Jancovic; Milos4U / Shutterstock