Seit jeher ist der deutsche Wald Gegenstand zahlreicher Geschichten, Mythen und Legenden. Doch auch in der heutigen Zeit stößt man noch auf das eine oder andere (Lügen-)Märchen – ein Faktencheck.

Märchen 1

Deutschland hat genug Waldschutzgebiete

Weit gefehlt. Lediglich 1,9 Prozent der deutschen Wälder sind wirklich effektiv vor der Säge geschützt – dauerhaft und rechtlich abgesichert.1 Zum Vergleich: In Brasilien sind es etwa 30 Prozent des Regenwalds. Deutschland fehlen Schutzgebiete, um wirklich effektiven Artenschutz zu betreiben. Auch eine ökologische Waldnutzung kann Waldschutzgebiete nicht ersetzen. Denn in der Regel fehlt in Wirtschaftswäldern die zweite Lebenshälfte der Bäume – inklusive deren natürlichem Absterben – nahezu komplett.

Lösung: Die Bundesregierung hat 2007 beschlossen, dass es bis 2020 fünf Prozent „Urwälder von morgen“ geben soll. Dafür müssen die öffentlichen Waldbesitzer wie die Bundesländer zusätzlich und vor allem große, zusammenhängende Schutzgebiete ausweisen.

 

Märchen 2

Holz zu verbrennen ist CO2-neutral

Schön wär’s. Bei der Verbrennung von Holz entstehen ebenfalls Emissionen, vor allem auch CO2. Zusätzlich einberechnen muss man jedoch die Emissionen, die bei der Holzernte, dem Transport und ggf. der Weiterverarbeitung des Holzes entstehen.

Lösung: Ist die energetische Holznutzung dennoch sinnvoll? Ja, als Nischenenergie, regional angepasst und wenn fossile Brennstoffe wie Öl oder Kohle wirklich durch das Holz sub‑
stituiert werden. Am besten ist eine Kaskadennutzung, also eine mehrfache stoffliche Nutzung von Holz, und erst in einer letzten Stufe seine Verbrennung. Zudem sollte das Holz aus ökologischer Waldnutzung stammen sowie regional und in effizienten Öfen bzw. Heizungen eingesetzt werden. Doch Energieverbrauch vermeiden, z.B. durch bessere Dämmung, ist viel sinnvoller als der Ersatz eines Brennstoffs durch einen anderen.

 

Märchen 3

Je mehr Holz wir nutzen, desto besser ist es für das Klima

Leider falsch. Die Wälder selbst sind unsere besten Verbündeten beim Klimaschutz – nicht das Feuerholz, der Zeitungsstapel oder das Billy-Regal. Beim Wachsen entziehen die Wälder der Atmosphäre das Klimagas Kohlendioxid und binden über Jahre langsam den Kohlenstoff im Holz und im Waldboden. Holz ist ein nachwachsender, doch nur begrenzt verfügbarer Rohstoff. Er sollte daher bewusst und sparsam eingesetzt werden. Derzeit wird jedoch beispielsweise bei der Nutzung von Buchenholz ein Großteil ohne vorherige Nutzung verbrannt. Bei Verbrennung von Holz wird das über Jahre gebundene CO2 sofort wieder freigesetzt.

Lösung: Um den im Holz gespeicherten Kohlenstoff möglichst dauerhaft zu binden, ist die Verwendung in langlebigen Produkten, zum Beispiel als Baustoff oder hochwertiges Möbelstück, sinnvoll. Viele Papierprodukte sind hingegen äußerst kurzlebig.

 

Märchen 4

Waldschutzgebiete und alte Wälder sind für den Klimaschutz wertlos

Im Gegenteil. Lange nahmen Forstwissenschaftler an, dass Bäume ab einem höheren Alter langsamer wachsen und weniger Kohlenstoff binden. Ein hohes Alter erreichen Bäume hierzulande aber nur selten. In der Regel werden beispielsweise Buchen mit 120 bis 140 Jahren eingeschlagen. Eine internationale Studie2 zeigt, dass 97 Prozent aller untersuchten Baumarten umso schneller wachsen, je älter und größer sie werden. Das heißt zugleich, dass große, dicke Bäume wesentlich mehr CO2 aus der Atmosphäre aufnehmen und speichern. Doch wirklich alte Wälder gibt es in Deutschland kaum mehr, im Durchschnitt sind unsere Wälder erst 77 Jahre alt – für in Deutschland typische Baumarten wie Buche und Eiche noch ein Jugendalter.

Lösung: Damit Bäume im höheren Alter klimaschädliches CO2 langfristig binden können, sollten unsere Wälder deutlich älter und vorratsreicher werden dürfen.

 

Märchen 5

Wenn Deutschland mehr Wald unter Schutz stellt, wird stattdessen der Regenwald eingeschlagen

Deutschland verfügt über 11,1 Millionen Hektar Wald. Wenn wir davon 5 Prozent aus der forstlichen Nutzung nehmen und der Natur überlassen, verzichten wir auf knapp 0,55 Millionen Hektar auf die Holzernte – ein winziger Bruchteil der weltweiten Waldfläche von etwa 39 Billionen Hektar. Die Wälder der Welt werden nicht durch geschützte Waldflächen (in Deutschland) bedroht, sondern durch Einschlag der Agrarlobby für die Produktion von Soja, Palmöl und Fleisch sowie den Überkonsum an Holzprodukten in den Industrieländern. Auch der Holz- und Papierverbrauch in Deutschland liegt um ein Vielfaches über dem, was notwendig wäre.3

Lösung: Egal ob im Regenwald oder in Deutschland – entscheidend ist ein ressourcenschonender Umgang mit Holz.

 

Märchen 6

Mehr Waldfläche und Holzvorräte = höhere Holzqualität

Nicht automatisch. Obwohl in Deutschland die Holzvorräte leicht ansteigen, kann daraus nicht gefolgert werden, dass auch die Holzqualität der Bäume zunimmt. Eine Zunahme der Waldfläche und der Holzvorräte über alle Altersklassen hinweg bedeutet auch nicht zwangsläufig, dass die ökologische Qualität unserer Wälder besser wird, ob sie artenreicher werden oder gesund sind. Denn dazu müsste man viele verschiedene Faktoren betrachten, unter anderem auch, wie sich die Vorräte in den alten Wäldern entwickeln oder wie naturnah unsere Wälder sind.

Lösung: Holz kann gerade in langlebigen Massivholz- und Furnieranwendungen, zum Beispiel im Möbelbereich, sinnvoll eingesetzt werden und weniger ökologische Stoffe, wie Kunststoffe auf Erdölbasis, ablösen.

 

Autorin: Gesche Jürgens / Greenpeace © Attila, Picsfive / Shutterstock.com