Durch Crowdfunding unterstützen Menschen Projekte, die sie wichtig finden. Jörg Sommer von der Deutschen Umweltstiftung erklärt, warum diese Schwarmfinanzierung sich besonders für Umweltprojekte eignet.

Interview zum Thema Crowdfunding

Jörg Sommer ist Schriftsteller, Umweltaktivist und Vorsitzender der Deutschen Umweltstiftung, die 2014 die Crowdfunding-Plattform „Ecocrowd“ gegründet hat. Dort sammeln Start-ups und nachhaltige Initiativen Kapital, um ihre Ideen zu verwirklichen.

Jörg Sommer ist Schriftsteller, Umweltaktivist und Vorsitzender der Crowdfunding-Plattform Ecocrowd.

Im Interview mit greenLIFESTYLE spricht Jörg Sommer über die Chancen von Crowdfunding. © Ylva Sommer

Wie kamen Sie darauf, Crowdfunding für den Umweltschutz zu nutzen?

Immer wieder stellen wir fest, dass vielen Menschen der Schutz unseres Planeten am Herzen liegt. Sie haben tolle Ideen, wie wir ein Umweltproblem lösen können – und oft haben sie auch den Mut, diese Ideen umzusetzen. Deswegen erreichen uns Anfragen von Projektinitiatoren, ob wir ihre Projekte finanziell unterstützen können. Mit unse­rem knappen Budget ist das meist nicht möglich. Also hatten wir den Gedanken, Projektinitiatoren eine Lösung zur Sammlung von Startkapital zu bieten: Die Plattform Ecocrowd. Damit möchten wir verhindern, dass tolle nachhaltige Projektideen an fehlendem Kapital scheitern und den Menschen zeigen, dass jeder aktiv werden kann.

Was sind die Vorteile von Crowdfunding gegenüber anderen Finanzierungsmethoden?

Junge Projektstarter und Gründer ha­ben es oft schwer, einen Kredit bei der Bank zu bekommen. Und falls es doch klappt, tragen sie das volle Risiko: Sie verschulden sich ohne zu wissen, ob ihre Projektidee ankommt. Durch eine Crowd­funding-Kampagne hingegen bekommen sie Feedback von der Crowd und können prüfen, ob ihr Projekt tatsächlich so gut ist wie sie denken. Crowdfunding ist viel mehr als einfach nur Geld sammeln. Durch eine Crowdfunding-Kampagne ma­chen die Initiatoren ihr Projekt bekannt und sie haben die Chance, sich ein Netz­werk aufzubauen, über das sie oftmals auch ehrenamtliche Helfer finden. Über Crowdfunding finden sich Communitys, Teams und Freunde fürs Leben.

Was braucht Projekt, um es auf Ihre Webseite zu schaffen?

Auf Ecocrowd starten nur nachhaltige Projekte. Uns ist wichtig, dass die Pro­jekte einen Mehrwert für die Umwelt schaffen und Ressourcen möglichst um­weltbewusst und fair nutzen. Jedes Pro­jekt muss eine Bewertung verschiedener Nachhaltigkeits- und Machbarkeitskri­terien vornehmen. Am Ende entscheidet die Crowd, wie überzeugt sie von einem Projekt ist. Dabei gibt es keine Funding­schwelle, die überschritten werden muss. Bei uns ist jedes Projekt erfolgreich und kann das gesammelte Geld verwenden.

Welche Tipps geben Sie Menschen, die finanzielle Unterstützung für grüne und nachhaltige Projekte suchen?

In unserer Arbeit merken wir immer wieder, wie wertvoll ein großes Netzwerk ist. Dort finden sich nicht nur finanzielle Unterstützer, sondern auch ideelle Partner und Gleichgesinnte. Menschen, die für die gleiche Idee brennen und bereit sind, viel Arbeit zu investieren, um diese umzusetzen. Deswegen rate ich jedem Projektstarter: Geh raus zu Veranstaltungen, Netzwerktreffen, lern Deine Zielgruppe kennen, spreche NGOs, Stiftungen und Social Businesses an, stell Dich und Dein Projekt vor – Du wirst überrascht sein, was schon aus einem kleinen Gespräch alles entstehen kann. Außerdem lohnt es sich, den engsten Freundes- und Bekanntenkreis zu mobilisieren. Es ist oft erstaunlich, wie motiviert diese die Idee verbreiten.

Besteht beim Crowdfunding die Gefahr, dass gutes Marketing wichtiger ist als die Inhalte selbst?

Ja und Nein. Eine gut durchdachte Kom­munikationsstrategie ist auf jeden Fall essenziell für den Erfolg einer Crowdfun­ding-Kampagne. Ohne diese hat auch die beste Idee keine Chance. Auf Ecocrowd merken wir, welche Projektinitiatoren ihre Zielgruppe kennen und welche weniger. Es ist auffällig, dass sehr spezielle Pro­jekte und Themen, die für Laien nicht gut zugänglich sind, eher schlecht laufen – auch wenn gut Werbung gemacht wird.

Welches Projekt würden Sie selbst sofort unterstützen?

Mir persönlich liegen die Themen Atomkraft und Energiewende sehr am Herzen. Vielen Menschen sind die Ge­fahren des hochradioaktiven Atommülls nicht bewusst – doch unsere Kinder und Enkelkinder sind die Umweltschützer von morgen und müssen informiert sein. Deswegen sind mir insbesondere Pro­jekte aus dem Bereich Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung wichtig – Projekte, die Kinder und Jugendliche für unsere Umwelt sensi­bilisieren und ihnen zeigen, was sie für deren Schutz tun können.

Mit Ecocrowd unterstützen Sie privates Engagement. Braucht es für weitreichende, nachhaltige Veränderun­gen nicht trotzdem die Politik?

Natürlich ist es nicht nur mit privatem En­gagement getan, doch wir dürfen die Kraft der Masse nicht unterschätzen. Nehmen wir als Beispiel Unternehmen aus der Textilbranche, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Bekleidung zu möglichst günstigen Preisen anzubieten: Würde niemand mehr dort einkaufen, gäbe es solche Anbieter auf Kosten der Menschen und der Umwelt nicht. Dann würden die Flüsse in Asien nicht verschmutzt und die Menschen in Schwellenländern müssten nicht mehr über zwölf Stunden am Tag für einen Hungerlohn arbeiten. Natürlich brauchen wir auch Politiker, die Entscheidungen für unsere Umwelt treffen und sich gut überlegen, wie wir wirtschaftliche, soziale und ökologische Interessen miteinander vereinen können. Aber damit ausbeuterische Marken keine Chance mehr haben, brauchen wir vor allem Menschen, die ihre Kaufentschei­dung auf Basis der Abwägung ökolo­gischer, sozialer und wirtschaftlicher Kriterien treffen und ihre Erwartungs­haltung „Jeans für 8 Euro“ überdenken.

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Fotos: © Ylva Sommer; Africa Studio, wow.suotropca /Shutterstock.com