Algen sind in aller Munde – im wahrsten Sinne des Wortes. Ihre Einsatzmöglichkeiten jenseits der Ernährung scheinen vielversprechend und werden derzeit erforscht. Im Beauty-Bereich ist die Alge jedoch schon lange als wirkungsvoller Schönheits-Booster bekannt.

Text Marcella Hilpert

Finis Terrae – das Ende der Welt – so wurde das westlichste kontinentale Département Frankreichs, Finistère, zu Zeiten des Römischen Reichs getauft. Und dieser Name scheint passend, wenn man den äußersten Zipfel der Bretagne, eine Landschaft von wilder Schönheit, besucht: Die zerklüftete 795 Kilometer lange Küste ist geprägt von hohen Klippen, oft einsamen, langen Sandstränden, beschaulichen Häfen und ganzjährig gemäßigten Temperaturen, die jedoch stets von rauen Winden begleitet werden. An diesem entlegenen Winkel der Grande Nation fühlen sich nicht nur Naturliebhaber wohl, sondern auch unscheinbare, doch ganz besondere Wasserbewohner.

Gelblich-braune Algen mit welligen Blatträndern und rundem Kopf wurden in der Bretagne an den Strand gespült und warten darauf, geerntet zu werden.

Algen in der Bretagne; Foto © Annemarie Börlind

Algen: Ein uraltes Mysterium

Algen gelten als meist verbreitete Art in den Gewässern der Erde und werden schon seit mehr als 2000 Jahren durch den Menschen genutzt. Dennoch wissen wir immer noch relativ wenig über sie. Es gibt Mikro- und Makro-Algen, grüne, rote und braune … Bekannt sind rund 40 000 verschiedene Formen, doch die Gesamtzahl beläuft sich Schätzungen zufolge auf das Zehnfache. Sicher ist, dass es ohne Algen kein Leben auf unserem Planeten gäbe, denn jedes zweite Sauerstoffmolekül der Atmosphäre stammt aus ihrer Photosynthese. Zugegeben: Aussehen, Geruch und Haltbarkeit lassen sie zunächst nicht unbedingt attraktiv erscheinen, doch die Möglichkeiten, Algen zu nutzen, scheinen endlos und machen sie zu einem begehrten und äußerst spannenden Forschungsobjekt.

Allround-Talent: Nahrungsmittel und Energiequelle Alge

Als Nahrungsmittel sind sie vor allem in der asiatischen Küche bekannt. Kein Wunder, denn in Asien werden sie schon seit Jahrtausenden verspeist, weshalb hier die mit Abstand größte Algenindustrie zu finden ist. Doch selbst, wer sich bislang von in Nori-Blätter gerollten Sushi Maki und Meeressalat fernhielt, hat sicherlich schon Algen gegessen, denn sie stecken inzwischen auch bei uns in vielen Lebensmitteln, zum Beispiel als Verdickungs- und Bindemittel. Ob der Nicht-Asiate die in Algen enthaltenen Stoffe wie den hohen Jodanteil in größeren Mengen verträgt, ist derzeit noch umstritten. Gleichzeitig wird aber ebenso diskutiert, ob Algen vielleicht die Antwort auf die Frage der Welternährung sein könnten, da sie sich ressourcenschonend anbauen lassen. Und damit nicht genug: Algen werden als alternative Energiequelle getestet, sollen Krebs heilen und den Klimawandel aufhalten. Womöglich könnten sie sich als Allheilmittel für die Probleme unserer Zeit erweisen, doch bis dahin ist es noch ein langer Weg.

50 Algensorten für die Schönheit

In der Kosmetikindustrie haben sich Algen bereits seit längerer Zeit bewährt. Hier fungieren sie sowohl als Wirkstoff als auch als Konsistenzgeber. Ihr Feuchthaltevermögen, welches ihnen bei Ebbe das Überleben ermöglicht, macht sie als Inhaltsstoff von Seifen, Shampoos, Cremes und Seren ebenso interessant wie die Tatsache, dass sich in einem Kilogramm Algen die Wirkstoffe aus 100 000 Litern Meerwasser konzentrieren. Diese Mineralien und Nährstoffe sollen entschlacken und straffen, beruhigen und beleben – je nachdem, welche der rund 50 Algen, die derzeit in Kosmetika Verwendung finden, zum Einsatz kommt.

Bio-Algen aus der Bretagne

Auch im bretonischen Finistère, wo sich Europas größte Algenproduktion befindet, werden potenzielle Beauty-Helfer aus dem Atlantik gewonnen. In Plouguerneau hat die Algenfischerei schon lange Tradition. Richtig gelesen, hier werden Algen gefischt oder vielmehr geerntet. Das heißt, entweder werden sie bei Ebbe von Hand gesammelt oder es geht mit einem Boot hinaus aufs Meer, um sie mit einer Art Schraubkran aus dem Wasser aufzuwickeln. Im Gegensatz zu den meisten in Asien produzierten Algen, die aus riesigen Zuchtanlagen stammen, werden diese zum größten Teil natürlich gewonnen – und sind somit sozusagen ‚bio‘. Ein großer Teil dieser „Öko“-Algen wird direkt vor Ort weiterverarbeitet: Agrimer, ein in Plouguerneau ansässiges Unternehmen, ist stolz auf seinen direkten Zugang zur Quelle und seine führende Position in der Verarbeitung frischer Algen für die Kosmetikindustrie. So entstehen in dieser kleinen französischen Gemeinde Rohmaterialien wie Trocken- und Flüssigextrakte, Flocken und Puder, ebenso wie fertige Cremes und Lotionen, die an Spa- und Wellnessinstitute auf der ganzen Welt geliefert werden. Eine besonders schonende Technologie zur Trocknung der Algen ermöglicht es Agrimer, sogar Ecocert zertifizierte Rohstoffe anzubieten, die zum Beispiel die deutsche Naturkosmetikmarke Annemarie Börlind für verschiedenste Pflegeprodukte verwendet.

Ein Helfer steht während der Ernte bekleidet mit einer grüßen Fischerhose, in einem Haufen Algen und schneidet mit einer Sichel einzelne Algenstränge.

Ein Helfer steht während der Ernte bekleidet mit einer grüßen Fischerhose, in einem Haufen Algen und schneidet mit einer Sichel einzelne Algenstränge; Foto © Annemarie Börlind

Algen und ihre Wirkung auf einen Blick

Zu den Algen, die beispielsweise bei Annemarie Bör­lind im Auftrag der Schönheit zum Einsatz kommen, zählen Blutregenalge, Feltalge, Fingertang, Flacher Darmtang, Gabeltang, Grünalge, Grüner Kaviar, Knor­peltang, Knotentang, Kombu-Alge, Nabel-Purpurtang, Palmentang, Phytoplankton und Sägetang.

Blutregenalge

(Haematococcus Pluvialis) sind kleine einzellige Süßwasseralgen, die unter schlechten Lebensbedingungen und bedingt durch Astaxanthin eine spektakuläre rötliche Färbung aufweisen. Asta­xanthin gehört zu den Carotinoiden. Es reduziert die Zeichen lichtbedingter Hautalterung und beugt Schädi­gungen durch Licht vor. Außerdem stärkt es den natür­lichen Eigenschutz der Haut und wirkt anti-oxidativ.

Feltalge

(Codium Fragile), auch Grüner Leuch­ter genannt. Sie ist eine weltweit vorkommende Grünalge mit einer Größe von 20 bis 50 Zentimetern und einer ausgeprägten Anpassungsfähigkeit, was Temperatur­schwankungen betrifft. Der aus ihr gewonnene Ex­trakt wirkt gegen freie Radikale, spendet Feuchtigkeit und regeneriert die Haut.

Fingertang

(Laminaria Digitata) ist eine stattliche, in ihrer Form an Palmen erinnernde Braunalgen­art, die an den Küsten im Nordatlantik sowie in der Nord- und Ostsee vorkommt. Traditionell wurde sie nach Stürmen am Strand gesammelt, heute werden gezielt Meeresböden abgeerntet, um ihr Jod zu ge­winnen. Dabei entstehen Alginate als Nebenprodukt, welche als strukturgebendes Element für Flexibilität und Festigkeit sorgen und als natürlicher Gelbildner wirken.

Flacher Darmtang

(Enteromorpha Compressa) ist vor allem in Küstengewässern beheimatet und verdankt seinen Namen den charakteristischen Gaseinschlüssen, die dafür sorgen, dass die röhrenför­mig wachsende Grünalge stets senkrecht im Wasser steht. Ihr Wirkstoff mildert die Zeichen der Hautalte­rung, glättet und stärkt die Hautbarriere.

Gabeltang

(Furcellaria Lunbricalis) wächst in gro­ßer Tiefe auf felsigem Untergrund oder in großen Schwimmmatten, die sich leicht ernten lassen, vor allem vor den Küsten Kanadas und Dänemarks. Dem Gabeltang kommt eine besondere Bedeutung als Le­bensraum für laichende Fische zu, weshalb die Ernte in einigen Ländern zeitlich festgeschrieben ist. Aus der Alge wird ein Wirkstoff gewonnen, der die hauteigene Hyaluronsäureproduktion stimuliert, den Feuchtig­keitsgehalt der Haut verbessert und sie festigt.

Grünalge

(Dunaliella Salina), sie bevölkert sowohl natürliche als auch künstliche Gewässer und besteht aus grünen bis dunkelroten einzelnen Zellen. Diese Grünalge ist bekannt dafür, große Mengen an Beta- Carotin anreichern zu können, aus denen farblose Carotinoide gewonnen werden. Sie schützen vor UV-Strahlung sowie freien Radikalen, wirken anti-oxidativ und entzündungshemmend.

Grüner Kaviar

(Caulera Lentillifera), auch Meerestraube genannt, ist in den Küstengewässern der Indopazifik-Region beheimatet und gehört zur Kategorie der Grünalgen. Die charakteristischen kleinen Kugeln dieser Alge erinnern an Kaviar und sind eine beliebte Delikatesse der philippinischen und japanischen Küche. Ihr Extrakt verbessert die Hautstruktur, wirkt straffend und mildert die Zeichen der Hautalterung.

Knorpeltang

(Chondrus Crispus), auch Irisch Moos genannt, wächst in einem charakteristischen Fächer stets auf felsigem Grund, sowohl in Bereichen mit starkem Wellengang als auch in ruhigerem Wasser. Aus der Rotalge wird ein wichtiger Gelbildner ge­wonnen, außerdem weist sie einen hohen Anteil an Antioxidantien wie Vitamin E und C auf, die vor freien Radikalen und somit vor vorzeitiger Faltenbildung schützen.

Knotentang

(Ascophyllum Nodosum) besiedelt Fel­sen oder Mauern im Gezeitenbereich. Dort schweben die Triebe in den Strömungen des Meeres. Dabei fühlt sich diese Braunalge fast überall heimisch. Aus ihr wird ein Extrakt gewonnen, der sebumregulierend ist, eine Wirkung gegen freie Radikale aufweist und den Teint strahlen lässt.

Der Blick über die Landschaft zeigt im Vordergrund durch Ebbe freigelegte Algen, auf denen eine Möwe Rast macht, und im Hintergrund grüne Hügel sowie einen Leuchtturm.

Im französischen Finistère in der Bretagne herrschen optimale Bedingungen für ökologischen Algenanbau; Foto © Annemarie Börlind

Kombu-Alge

(Laminaria Ochroleuca), auch goldene Alge genannt, ist eine stark jodhaltige Meeresalge, die während der Ebbe starker Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist, gegen die sie aktive Schutzmechanismen entwickelt hat. Ihre Wirkstoffe schützen die Haut vor den negativen Folgen erhöhter UV-Strahlung, wirken entzündungshemmend und stärken die Hautbarriere.

Nabel-Purpurtang

(Porphyra Umbilicalis) ist auch bekannt als Purpurtang, Hauttang oder Nabel-Hauttang. Die Rotalge ist an den Küsten des Nordatlantik sowie der Nordsee beheimatet und bildet faltige, wellige Lappen mit glatter Oberfläche. Sie ist reich an Polysacchariden, Fettsäuren, Beta-Carotin und Proteinen. Der aus dem Purpurtang gewonnene Wirkstoff strafft die Haut, wirkt stärkend und regenerierend.

Palmentang

(Laminaria Hyperborea) wächst in den Dauerflutzonen in Nord- und Ostsee sowie im Nordatlantik. Er ist fest im felsigen Untergrund verankert und bildet ausgedehnte, üppige Tangwälder, die jedes Frühjahr eine Art Laubwechsel vollführen. Er treibt aufrecht in der Strömung und erinnert an schlanke hohe Palmen. Die Braunalgenart liefert ein Polysaccharid, das als pflanzlicher Gelbildner genutzt wird, stabilisierend wirkt und die Fließfähigkeit von Texturen reguliert.

Phytoplankton

(Polysaccharid) ist mikroskopisch klein und besteht vor allem aus Kiesel-, Grün-, Gold- und Blaualgen sowie Bakterien. Ihm kommt eine wichtige Bedeutung als Sauerstoffproduzent zu. Das Polysaccharid unterstützt die Zellerneuerung und stärkt die Hautbarriere, wirkt gegen Akne, verfeinert die Poren und spendet zudem Feuchtigkeit.

Sägetang

(Focus Serratus) ist eine mehrjährige Braunalge, die ihren Namen von den scharfen Einkerbungen ihres Randes erhielt. Sie wächst in Gezeitenzonen, die vom Wechsel zwischen Ebbe und Flut bestimmt sind, ihre Haftplatte verbindet sie fest mit dem Untergrund und sie wird rund 30 Zentimeter groß. Der aus der Alge gewonnene Extrakt hat eine entspannende, stärkende, schützende und intensiv pflegende Wirkung.

Da in Sachen Algen noch viel geforscht und entwickelt wird, dürfen wir gespannt sein, mit welchen Wirkstoffen und auf ihnen basierenden Produkten wir in Zukunft überrascht werden.

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