Mode liegt am Puls der Zeit – so schnell wie Trends kommen, gehen sie auch wieder und jede Menge noch verwendbare Textilien landen im Müll. Doch alte oder ungetragene Kleidung kann eine Zukunft haben – mit Upcycling.
Text Helen Schmidt
Viele Modeliebhaber und Modeliebhaberinnen kennen das Problem: Selbst die coolsten It-Pieces, die einst heißbegehrte Must-haves waren, hüten nach nur einer Saison oder ein paar Mal tragen den Schrank. Manches sitzt einfach nicht mehr, an anderen Teilen hat man sich sattgesehen.
Doch was tun mit der alten Kleidung, die nun neuen Lieblingsstücken im Schrank den Platz wegnimmt? Statt diese direkt im Müll zu entsorgen, können Sie dank Upcycling aus ungetragener oder aussortierter Kleidung trendige DIY-Mode gestalten.
Mit ein bisschen Übung entstehen einzigartige Kleidungsstücke aus alten Klamotten. Foto: Pexels via Pixabay
Was ist Upcycling?
Der englische Begriff setzt sich aus den Wörtern up – „nach oben“ und recycling – „Wiederverwertung“ zusammen. Er steht für die Umwandlung von vermeintlichen Abfallprodukten oder Altware sowie unbrauchbaren Stoffen in neuwertige Produkte. So wird die Neuproduktion und Verwendung von Rohmaterialien reduziert und Ressourcen gespart. Speziell in der Mode spricht man häufig auch von „refashion“ – dem Umgestalten oder Neugestalten alter Kleidung.
Durch Upcycling kann jeder etwas zum Umweltschutz beitragen und für einen nachhaltigeren Alltag sowie eine grünere Garderobe sorgen. Insbesondere im Fashion-Bereich können wir mit der Weiterverwertung von Kleidung ein Zeichen setzen. Denn viel zu häufig werden noch immer Kleidungsstücke, die eigentlich noch top in Form sind, weggeworfen – und das in erschreckend großem Ausmaß.
Dilemma: Fast Fashion
Besonders große Mode-Unternehmen machen immer wieder Schlagzeilen mit der Umweltbelastung ihrer Fast Fashion. Die billig produzierte Massenware hinterlässt bei der Herstellung giftige Nebenprodukte und wird verbrannt, wenn sie sich als Ladenhüter entpuppt. So landen tonnenweise einwandfreie Hosen, Shirts und Kleider in den Flammen – eine Verschwendung von Ressourcen und eine unnötige Belastung für Mensch und Natur.
Aber auch wir als Einzelpersonen unterstützen die Überproduktion in der Textilindustrie, wenn wir unsere Kleidung nur kurzweilig tragen und zunehmend neu kaufen. Und das, obwohl Kleidung bei richtiger Pflege ausgesprochen langlebig sein kann und wiederkehrende Trends beweisen, dass fast jeder Stil früher oder später sein Comeback feiert.
Folgend zeigen wir Ihnen nachhaltige Lösungsansätze für die Überproduktion bei Modelabels und Maßnahmen gegen die Wegwurfmentalität in unseren Privathaushalten.
Upcycling statt Textilmüll
Ein neuer, nachhaltiger Trend hat sich ins Mode-Business geschlichen, um der Verschwendung bei den Textil-Giganten sowie auch in unserem Kleiderschrank den Kampf anzusagen. Die Rede ist von Upcycling! Menschen, die gerne kreativ sind und ihre alte Kleidung behalten möchten, statt sie wegzugeben, können ihrer aussortierten Garderobe neues Leben einhauchen. So lässt sich beispielsweise der Stoff einer alten, abgenutzten Jeans zu einem selbstgenähten Beutel verarbeiten. Der alte Stoff wird sinnvoll genutzt und das Endergebnis ist ein originelles Modestück – ein Unikat, das sonst niemand hat. Es gibt sogar zahlreiche Bücher zu Upcycling mit Ideen, Tipps, verschiedensten Schnittmustern und Nähanleitungen, die speziell darauf abzielen, aus alten Kleidungsstücken etwas Neues zu kreieren.
RETHINK → REFASHION!
Eigene Etiketten für den persönlichen Upcycling-Style
Um dem eigenen Upcycle Look noch mehr Individualität zu verleihen, helfen Accessoires: Beispielsweise ein eigens entwickeltes Logo, welches das Kleidungsstück als das persönliche Designer-Piece kennzeichnet. Textiletiketten können Sie ganz einfach online selbst gestalten und bestellen.
Buchtipp:
Weitere Tipps und Anleitungen zur Wiederverwertung gebrauchter Kleidung sowie DIY-Projekte zum Nachmachen gibt Bloggerin und YouTuberin Eliza Schwarz in ihrem kostenlosen E-Book Fashion-DIY – Upcycling.
Upcycling-Projekte und -Labels
Es gibt zahlreiche Start-ups, Unternehmen und Marken, die aus unbrauchbaren Materialabfällen und Textilresten trendige sowie nachhaltige Gebrauchsgegenstände oder Mode zaubern. Hier ein paar unserer Favoriten:
Neuer Dings
Von dem studentischen Verein Enactus Braunschweig e. V. ins Leben gerufen, rettet das ehrenamtliche Upcycling-Projekt Neuer Dings nicht nur wertvolle Ressourcen wie Fahrradschläuche und Zelte vor dem Müll, es unterstützt auch Menschen in Behindertenwerkstätten, in denen die Produkte hergestellt werden. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen fertigen beispielsweise Federmäppchen aus alten Fahrradschläuchen, die anschließend in regionalen Läden verkauft werden.
Catchup Kidswear
Das Upcycling Kidswear Label aus Berlin hat es sich zur Aufgabe gemacht, etwas Gutes für die Umwelt zu tun und nachhaltige Designer-Kleidung für Kinder aus Secondhand-Textilien und Stoffresten zu produzieren. Um den ökologischen Fußabdruck so klein wie möglich zu halten, achtet Catchup Kidswear darauf, nur Kurzwaren aus Biomaterialien neu anzuschaffen. Jedes Kleidungsstück ist ein Unikat und wird nicht nachproduziert. Ein Teil der Einnahmen geht an soziale und gemeinnützige Institutionen für Kinder.
Coa Goa
Coa Goa ist ein Upcycling Start-up, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, ausrangierten Segeln in Form von vielseitig einsetzbaren Taschen ein neues Leben zu schenken. Die kompakten Kulturbeutel sind dank ihres robusten Materials aus doppelt gearbeitetem Spinnaker-Segeltuch nicht nur als stylisches Kosmetiktäschchen nutzbar: Auch Büromaterial und Werkzeug finden darin genügend Platz.
Moot
Moot steht für Made Out Of Trash. Die jungen Berliner Gründer Nils und Michael designen hippe Basic T-Shirts aus entsorgter Bettwäsche. Zudem klären sie über die inhumanen, gewinnmaximierenden Verhältnisse in der Textilbranche auf und schaffen ein Bewusstsein für den Wert von Kleidung. Das Label arbeitet mit sozialen Einrichtungen zusammen und lässt umweltbewusst und fair herstellen.
Spenden
Menschen, die sich gerne sozial engagieren möchten, können ausrangierte – aber noch tragbare – Kleidung an Bedürftige oder karitative Einrichtungen spenden. Privatpersonen haben die Möglichkeit, diese direkt bei sozialen Vereinen und Kirchen abzugeben oder sie in Altkleidertonnen zu stecken, die in vielen Städten verteilt sind. Das Deutsche Rote Kreuz gibt Auskunft darüber, wo Sie Kleidercontainer in Ihrer Nähe finden können.
Trend: Secondhand
Wer mit seinem Lieblings-Designerteil noch ein paar Euro verdienen möchte, kann es in einem Secondhand-Geschäft oder -Onlineportal verkaufen und dem Kleidungsstück so einen neuen Besitzer schenken – der sich über ein Schnäppchen sicher freuen wird.
Sellpy
Schwedens größter Secondhand-Onlineshop Sellpy gibt abgelegter Kleidung eine zweite Chance. Gemeinsam mit H&M Deutschland hat es sich das Unternehmen zur Aufgabe gemacht, begrenzte Ressourcen bestmöglich zu nutzen und Kleidung möglichst lange im Umlauf zu halten – und das auf ganz bequeme Weise für Nutzer. Kunden können alles, was sie nicht mehr benötigen, verpacken und kostenlos an den Shop versenden. Sellpy kümmert sich dann um die weitere Abwicklung und Qualitätskontrolle jedes einzelnen Artikels. Bei einer Verkaufssumme bis 50 Euro erhalten Sie 40 Prozent des Verkaufspreises und auf alles darüber 90 Prozent. Für alle Artikel, die Sellpy online stellt, berechnen sie außerdem eine Gebühr von jeweils 1 Euro. Alles was nicht verkauft werden kann, wird recycelt.

Kleiderkreisel
Auf kleiderkreisel.de können User ihre noch gut erhaltene oder ungetragene Mode innerhalb der Community tauschen, verkaufen oder verschenken. In der App laden die Nutzer Fotos des Artikels hoch, beschreiben diesen und bestimmen einen Preis für ihn. Kauft ein Interessent oder eine Interessentin den Artikel, hat der Verkäufer oder die Verkäuferin fünf Tage Zeit, ihn zu verschicken. Danach wird das Guthaben aus dem virtuellen Geldbeutel per Banküberweisung ausgezahlt. So ist es eine sichere Transaktion für beide Seiten. Und das Beste: Alles, was Sie hier verdienen, gehört Ihnen. Es fallen keine Gebühren für die Nutzung des Portals an. Wer möchte, kann seine Artikel für einen kleinen Geldbetrag in der App promoten, um so die Verkaufschancen zu erhöhen.
Mamikreisel
Das Portal funktioniert wie die Schwesterplattform Kleiderkreisel, allerdings mit dem Schwerpunkt auf Baby- und Kinderkleidung, -möbel, -wagen, -ausstattung, -spielzeug sowie Umstandsmode. Gerade weil viele Kinder sehr schnell aus ihrer oftmals fast noch neuwertigen Kleidung herauswachsen, ist die Plattform eine tolle Möglichkeit, anderen Eltern oder werdenden Müttern und Vätern preiswertere Artikel rund um den Nachwuchs anzubieten oder selbst zu erwerben.
Buchtipp:
Autorin und Hobbyschneiderin Constanze Derham gibt in ihrem Näh-Ratgeber jede Menge praktische Tipps, was man beim Upcycling beachten sollte und zeigt, wie man aus alter Kleidung ganz neue Lieblingsteile oder trendige Accessoires zaubern kann.
Mädchenflohmarkt
Die Online-Plattform maedchenflohmarkt.de ist ein Marktplatz für „pre-loved“ Frauenmode in Form von hochwertigen Designerstücken, kultiger Vintage Fashion und trendigen It-Pieces. Doch nicht nur hochpreisige Marken wie Gucci, Prada, Louis Vuitton und Co suchen hier neue Besitzer, auch Kleidung von Labels aus dem Mittelpreissegment wie H&M, Zara oder Mango werden auf dem Mädchenflohmarkt angeboten. Unter den Verkäufern finden sich unter anderem bekannte Mode-Bloggerinnen und Stars aus den Medien. Bei jedem verkauften Kleidungsstück gehen zehn Prozent des Verkaufspreises an das Portal.
Ubup
Auch das Team von Ubup hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kleidungsstücken, die nicht mehr getragen werden, ein neues Leben zu schenken. Jedes Teil, dass auf der Plattform verkauft wird ist ein Einzelstück, welches das Unternehmen über die Ankaufsplattform momox.de beziehungsweise momox-fashion.de erworben hat. Bevor sie bei Ubup im Onlineshop landen, durchläuft jedes Kleidungsstück einen Prüfungsprozess. Von Low-Budget- bis hin zu teurer Designer-Mode ist hier alles zu finden.
Fazit: Upcycling – Stylischer Umweltschutz
Obwohl Nachhaltigkeit und Umweltschutz immer mehr an Bedeutung gewinnen – besonders in der Modebranche – ist das Thema Fast Fashion leider immer noch ein viel diskutiertes Problem. Das zeigt sich sowohl bei großen Textilkonzernen als auch bei uns Endverbrauchern und Endverbraucherinnen: Wir kaufen häufig Kleidung in Massen und entsorgen diese, ohne darüber nachzudenken, wie wir sie noch verwenden oder verwerten können.
Mit Upcycling können wir alte, ungetragene Kleidung wieder aufmotzen oder dazu nutzen, neue Stücke herzustellen. Recycling der etwas anderen Art! Dies ist eine tolle und kreative Möglichkeit, alte Modestücke, die ansonsten im Abfall gelandet wären, weiterhin zu tragen. Es wird dabei nicht nur Textilmüll vermieden, sondern auch wertvolle Ressourcen gespart.
Das Ergebnis sind einzigartige Kleidungsstücke und Accessoires, welche die eigene Individualität unterstreichen – etwas, das billige Massenware nicht kann. Gleichzeitig freuen sich die Geldbörse, das eigene Gewissen und vor allem die Umwelt.