Nicht viele Menschen wissen, dass es diese Giganten überhaupt in deutschen Meeren je gab: Glattrochen. Die bis zu zweieinhalb Meter großen und 110 Kilogramm schweren Tiere waren einst beliebte Speisefische. Doch seit Mitte der 1960er-Jahre sind sie in unseren Meeren verschollen.

Text Almut Gaude/Judith Freund/BUND

Ursprünglich umfasste das Verbreitungsgebiet des Glattrochens fast den gesamten Nordostatlantik, das Mittelmeer sowie die Nord- und Ostsee. Der Glattrochen ist die größte Rochenart an den europäischen Küsten und war noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts die am weitesten verbreitete Rochenart Europas und als Speisefisch äußerst beliebt. Vor Amrum wurden damals bei jeder Ebbe bis zu 1000 Exemplare gefangen. Passend heißt der Glattrochen auf englisch auch „common skate“ – der „gewöhnliche Rochen“. Als Lebensraum bevorzugt der Glattrochen den Meeresboden in Küstennähe. Junge Glattrochen halten sich im flachen Wasser auf, Erwachsene standorttreu in einer Tiefe von 100 bis 600 Metern. 

Anders als beispielsweise Mantarochen, die ihre Flossen vogelähnlich schlagen, bewegen sich Glattrochen durch wellenförmige Bewegungen ihrer Brustflossen fort. Sie besitzen eine lange und spitze Schnauze und ihre grünbraune Körperoberseite ist mit hellen und dunklen Flecken versehen, die als falsche Augen Feinde verwirren sollen.
Pro Jahr legt ein Weibchen nur 40 Eier, viel zu wenig, um ihrer massiven Befischung Stand zu halten. Aufgrund ihrer Größe wurden auch junge Glattrochen gejagt, dabei benötigen die Tiere außergewöhnlich lange bis zur Geschlechtsreife. Vor allem seine Standorttreue, seine attraktive Größe und der geringe Nachwuchs wurden dem Rochen zum Verhängnis: In den 1930-er Jahren brach sein Bestand massiv ein. 

Glattrochen

Wie viele Glattrochen gibt es noch in unserer See? Foto © VI photo via shutterstock.com

Steckbrief

Der Glattrochen (Dipturus batis) gehört neben Haien und Seekatzen zur Klasse der Knorpelfische. Inzwischen wird davon ausgegangen, dass es zwei verschiedene Glattrochenarten gibt, sie werden provisorisch als „Dipturus cf. Flossada“ und „Dipturus cf. Intermedia“ bezeichnet.

Merkmale: Bis zu 2,85 Meter lang und 110 Kilogramm schwer; werden 15 bis 20 Jahre alt; Körper in Form einer Raute, braun-grüner Rücken, hell-dunkel gesprenkelt, grauer Bauch, spitze Schnauze, Vorderrand der Flügel deutlich eingebuchtet; Erwachsene Tiere tragen auf dem Schwanz eine Reihe von zwölf bis 18 Dornen; Jungtiere fressen kleine, wirbellose Tiere wie Borstenwürmer und Krebstiere, erwachsene Tiere vor allem Fische wie Sandaale und Plattfische; Paarungszeit im Frühjahr; im Sommer legen die Weibchen ca. 40 rechteckige, zunächst grüne, später braune Ei-Kapseln in Größe von 24x 10 cm.

Lebensraum: Ursprünglich im gesamten Nordostatlantik, im Mittelmeer sowie in Nord- und Ostsee verbreitet. Inzwischen nur noch in Gewässern um Nordwest-Schottland, in der Keltische See und vereinzelt an der britischen Küste. 

Gefährdung: Rote Liste Deutschland: ausgestorben oder verschollen; Internationale Rote Liste: vom Aussterben bedroht.

Der Fischfang wurde ihm zum Verhängnis

Neben der gezielten starken Befischung mit Schleppnetzen und Angeln waren es auch die indirekten Effekte der Fischerei, die den Glattrochen ausgerottet haben. So haben die auch in Nord- und Ostsee eingesetzten Bodenschleppnetze hohe Beifangraten von Krebsen, Seesternen oder Seeigeln. Diese Meerestiere sind aber für den Glattrochen eine wichtige Nahrungsgrundlage. Einzelne Gebiete in der südlichen Nordsee werden bis zu zehnmal pro Jahr mit Grundschleppnetzen befischt, was zu gravierenden Schäden an den artenreichen Oasen am Meeresgrund führt. Auch der ungewollte hohe Beifang von Schleppnetzen ist ein Problem: Den Rückwurf ins Wasser überleben die meisten Tiere nicht, da die Fangprozedur sie zu sehr schädigt. Der Klimawandel wirkt sich ebenfalls auf die Rochen aus: Sie ziehen sich aus sich aufwärmenden Wasserregionen zurück, weil sie diese nicht vertragen. Häufigere und stärkere Stürme spülen vermehrt Rocheneier an Land, die Sterblichkeit steigt. 

Rochen werden in ganz Europa immer seltener

In deutschen Meeren wurde der Glattrochen seit mehr als 50 Jahren nicht mehr gesichtet, den letzten Nachweis in der deutschen Nordsee gab es 1963. Er gilt hierzulande als ausgestorben oder verschollen. Nach neueren Analysen handelt es sich beim Glattrochen zudem nicht nur um eine, sondern offenbar um zwei Arten, von denen die größere auch an allen anderen europäischen Küsten fast ausgestorben ist. Der Glattrochen ist nur noch in den Gewässern um Nordwest-Schottland, in der Keltischen See und vereinzelt an der britischen Küste zu finden. International gilt er als vom Aussterben bedroht. Seit 2009 ist es in allen EU-Gewässern verboten, Glattrochen zu befischen. Besorgniserregend ist, dass auch alle anderen Rochenarten der Nord- und Ostsee entweder bereits ausgestorben, vom Aussterben bedroht, stark gefährdet oder außergewöhnlich selten sind. 

Der BUND fordert

  • Die Bundesregierung muss sich für die Wiederansiedlung des Glattrochens in Nord- und Ostsee einsetzen.
  • Die Bundesregierung muss sich für ein grenzüberschreitendes Netzwerk aus Schutzgebieten in Nord- und Ostsee mit effektiven Maßnahmen zum Schutz seltener Arten einsetzen.
  • In der Hälfte der Schutzgebiete muss der Fischfang sowie weitere Meeresnutzungen wie Kiesabbau vollständig untersagt werden.
  • In den Schutzgebieten muss der Einsatz von grundberührenden Fanggeräten wie Bodenschleppnetzen komplett verboten werden.

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