Statistisch gesehen verbraucht jeder von uns jährlich mehr als 55 Liter Milch und fast 25 Kilogramm Käse. Aber nur ein kleiner Teil davon sind Bioprodukte. Was ist eigentlich bei Biomilch anders? Ist sie auch gesünder? Und geht es Biokühen wirklich besser?
Text Babett Müller
Welche landwirtschaftlichen Erzeugnisse sich in Deutschland „bio“ nennen dürfen, ist in der EU-Öko Verordnung geregelt. Erzeugnisse, die diesen Kriterien entsprechen – also auch Biomilch – tragen das europäische Biologo.
Inhaltsverzeichnis:
Vorschriften für Biomilch-Betriebe
Die verschiedenen Öko-Verbände wie Demeter oder Bioland haben teils noch strengere Vorschriften. Grundsätzlich gilt: Biomilch kommt von Kühen, die mehr Platz und Auslauf als konventionell gehaltene Milchkühe haben, und die Futter fressen, das nach den Kriterien der Öko-Verordnung produziert wurde.
Konkret bedeutet das Folgendes:
1. Ausreichend Platz:
Ähnlich wie bei einer artgerechten Hühnerhaltung gibt es auch bei den Milchkühen Vorschriften.
So müssen diese Milchkühe im Stall mindestens sechs Quadratmeter und auf Außenflächen mindestens 4,5 Quadratmeter Fläche zur Verfügung haben – für konventionell gehaltene Kühe gibt es keine Platzvorschriften. Zudem begrenzt die Öko-Verordnung auch die Zahl der Tiere pro Betrieb.
2. Auf die Weide:
Die Kühe müssen regelmäßigen Auslauf haben – möglichst auf einer Weide. Wenn die Umstände das nicht gestatten, muss es aber zumindest eine Auslauffläche geben, die die Tiere regelmäßig nutzen können.
3. Stallhaltung:
Die von Tierschützern verpönte Anbindehaltung, die die Bewegungsfreiheit der Tiere einschränkt, ist bei Biomilchkühen nur kleinen Betrieben erlaubt, die mindestens zweimal pro Woche Auslauf gewährleisten und die Tiere im Sommer auf einer Weide lassen. Alle anderen Ställe müssen ausreichend große Liegeflächen bieten, die zum Beispiel mit Stroh eingestreut werden. Sogenannte „Spaltenböden“, durch welche die Exkremente direkt abfließen, dürfen höchstens 50 Prozent der Stallfläche ausmachen.
4. Öko-Futter:
Das Futter dieser Kühe muss selbst aus ökologischem Anbau stammen – das bedeutet unter anderem Einschränkungen bei Dünger und Pflanzenschutzmitteln und den Verzicht auf Gentechnik. Das sogenannte „Raufutter“ – also etwa Gras oder Heu und haltbares Futter aus Silos – muss mindestens 60 Prozent der Nahrungszufuhr ausmachen. Ebenfalls mindestens 60 Prozent des Futters müssen entweder aus dem eigenen Betrieb oder der Region stammen.
5. Bessere Behandlung:
Auf die schmerzhafte Enthornung von Kälbern sollte verzichtet werden. Ausnahmen – etwa weil die Stallgröße nicht ausreicht und sonst Verletzungen drohen – müssen beantragt werden und unter Betäubung geschehen. Die Medikamentengabe durch Tierärzte ist bei Biokühen strenger reglementiert, Hormone und Antibiotika zur Leistungssteigerung sind aber auch bei konventionellen Milchkühen verboten.
6. Zusatzstoffe:
Wie beim Futter dürfen auch bei der Weiterverarbeitung der Milch in Molkereien keine auf Gentechnik basierenden Produkte verwendet werden. Naturidentische oder synthetische Aromastoffe sowie die Zugabe synthetischer Vitamine sind ebenfalls tabu. Statt über 300 sind für Biomilch lediglich 47 Zusatzstoffe wie Pektin, Johannisbrotkernmehl oder Agar-Agar zugelassen.
Zusammenfassung:
Biomilch kaufen: Aufs Siegel achten!
Produkte, die die Vorgaben der EU-Öko-Verordnungen erfüllen, dürfen sich „bio“ nennen und tragen das EU-Bio Logo. Darunter muss der Code für die zuständige Prüfstelle sowie die Herkunftsbezeichnung stehen – entweder „EU-Landwirtschaft“, „Nicht-EU-Landwirtschaft“ oder „EU- / Nicht-EU-Landwirtschaft“.
Bei vielen Produkten ist zusätzlich auch das sechseckige deutsche Biosiegel abgebildet, das aber nicht verpflichtend ist. Dazu kommen teilweise noch Logos der verschiedenen Bioverbände, deren Auflagen oft noch über die Biovorgaben der EU hinausgehen.
Das EU-Bio-Logo muss auf allen Bioprodukten abgebildet sein. Das deutsche Biosiegel ist häufig zusätzlich abgedruckt.
Wo kann man Biomilch kaufen?
Manche Bauernhöfe bieten völlig unbehandelte – lediglich gefilterte und gekühlte – Rohmilch direkt von der Kuh an. Als Vorzugsmilch bezeichnet man Rohmilch, die in Reformhäusern und Naturkostläden verkauft wird. Für Säuglinge, Kleinkinder, Schwangere, ältere und immungeschwächte Menschen sind Roh- und Vorzugsmilch nicht geeignet. Beide Milchsorten sind nicht hitzebehandelt und sollten vor dem Verzehr abgekocht werden.
Welche Biomilcharten werden verkauft?
In den Kühlregalen der meisten Supermärkte findet sich Milch, die pasteurisiert, also für 15 bis 30 Sekunden auf 72 bis 75 Grad erhitzt wurde. Nach dieser Prozedur ist die traditionell hergestellte Frischmilch im Kühlschrank etwa sieben bis zehn Tage lang haltbar. Daneben gibt es noch sogenannte ESL-Milch (ESL steht für Extended Shelf Life), die kurz auf 85 bis 127 Grad erhitzt wurde und gekühlt bis zu drei Wochen lang haltbar ist.
Im Handel erkennt man die ESL-Milch an der Aufschrift „länger haltbar“. Wer Milch auf Vorrat kaufen möchte, sollte dagegen zur H-Milch greifen, die noch höher – auf mindestens 135 Grad – erhitzt wurde. Sie muss nicht gekühlt werden und hält sich ungeöffnet bis zu sechs Monate.
Allerdings schmeckt sie anders als Frischmilch und hat den sogenannten „Kochgeschmack“, den viele Milchtrinker als unangenehm empfinden. Und Vorsicht: Anders als Frisch- und ESL-Milch schmeckt verdorbene H-Milch nicht säuerlich.
Ist Biomilch gesünder?
In normaler Milch lassen sich weder mehr Rückstände oder Verunreinigungen nachweisen, noch beinhaltet sie weniger Vitamine und Spurenelemente als biologische Milch. Aus diesem Grund hat es gesundheitlich kaum Vorteile. Fakt ist, wer zu einer biologischen Milch greift, fördert eine artgerechte Tierhaltung.
Kollateralschäden beim Konsum von Biomilch:
Biomilchkühe haben zwar mehr Platz, Auslauf und bekommen besseres Futter. Dennoch müssen auch sie, damit ihr Milchfluss nicht versiegt, regelmäßig kalben und werden von ihren Kälbern anschließend getrennt. Biokälber müssen zwar – im Gegensatz zu konventionellen – mit Milch gefüttert und in Gruppen gehalten werden.
Da sie keine Milch geben, werden die männlichen Kälber allerdings gemästet und geschlachtet. Auch wer Milch von Biokühen trinkt und sonst kein Fleisch isst, kommt also nicht darum herum, Schlachtungen in Kauf zu nehmen.
Interessante Fakten zur deutschen Milchproduktion:
Weniger Kühe, mehr Milch.
2014 gab es in Deutschland 4,3 Millionen Milchkühe, die pro Jahr durchschnittlich 7400 Kilogramm Milch gaben. 1990 lag die Zahl der Milchkühe noch um zwei Millionen höher – sie produzierten allerdings im Durchschnitt nur 4700 Kilogramm Milch.
Fazit:
Biologische Milch bedeutet nicht, dass sie auch gesünder ist als normale Milch. Dennoch sollte diese immer bevorzugt werden, wenn man nicht gänzlich auf pflanzliche Alternativen umsteigen kann oder möchte. Der Kauf von Biomilch unterstützt eine artgerechte Haltung, durch die Tiere weniger Leid erfahren.
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Fotos: © gkuna via Shutterstock.com