Atmen geht zwar wie von selbst, aber atmen ist gar nicht so einfach. Wir zeigen Ihnen eine Atemtechnik gegen Stress. Mit diesen Tipps und Übungen atmen Sie den Stress einfach weg.

Ganz friedlich liegt das Neugeborene da, es atmet mit geschlossenem Mund durch die Nase, sein Bäuchlein hebt und senkt sich … so einfach, so gut. Auch Ihr Hund oder Ihre Katze haben diese Atemtechnik drauf, denn sie alle haben (noch) nicht verlernt, wie es richtig geht.

Dauerstress, ungesundes Essen und hauptsächlich sitzende Tätigkeiten, acht und mehr Stunden am Tag, sind Auslöser dafür, dass wir verlernen, wie wir Luft holen und vor allem, wie viel wir davon brauchen. Aber anders als man vermuten könnte, versorgen wir unseren Körper nicht etwa mit zu wenig Sauerstoff – nein, den Untersuchungen des Atemexperten McKeowns zufolge, überatmen, also hyperventilieren wir chronisch.

Oft atmen wir nur in den Brustkorb und vernachlässigen dabei die gesündere Bauchatmung, die den unteren Lungenbereich ausdehnt, sanft die Organe massiert und das Zwerchfell beansprucht.

Frau massiert sich zur Entspannung die Schläfen

Richtig atmen, Stress reduzieren

Das Problem der voluminösen Brustatmung ist nicht, dass wir zu viel Sauerstoff aufnehmen, das ist gar nicht möglich, sondern dass beim folglich ebenso voluminösen Ausatmen zu viel Kohlendioxid aus der Lunge fließt und damit dem Blut entzogen wird.

Für einen kurzen Zeitraum ist das nicht schlimm, aber wenn dies über Tage oder Woche geschieht, gewöhnt sich der Körper an das Atemvolumen und die beim Ausatmen ausgestoßene Menge an Kohlendioxid. Die Rezeptoren im Gehirn lernen und speichern diese Menge als Sollwert ab und stimulieren folglich ständig die Atmung, um das Kohlendioxid loszuwerden, das den einprogrammierten Grenzwert übersteigt.

Diese ungesunde Atmung konditioniert unseren Körper also so, dass er gegen seine eigenen Bedürfnisse atmet. Ständige Müdigkeit und Abgeschlagenheit, geringere Belastbarkeit auch bei sportlichen Aktivitäten und ein selbst herbeigeführter dauerhafter Stresszustand für den Körper können die Folge sein, was zu weiteren gesundheitlichen Problemen führen kann.

Wie atmet man richtig?

In seinem Buch Erfolgsfaktor Sauerstoff versucht McKeowns uns mithilfe von Übungen zu wissenschaftlich belegten Atemtechniken in einen Zustand zu versetzen, in dem wir wieder atmen, wie es von der Natur vorgesehen ist.

Dazu gehört, sich erst einmal die eigenen Atemgewohnheiten bewusst zu machen. Das sind die Basics, die ab sofort zu Ihrer täglichen Atemroutine gehören sollten:

  • Atmen Sie Tag und Nacht durch die Nase.
  • Vermeiden Sie es, zu seufzen. Ein Seufzer alle paar Minuten reicht aus, um eine chronische Hyperventilation aufrechtzuerhalten. Daher ist es wichtig, dass Sie Seufzer unterdrücken oder ihnen entgegenwirken, indem Sie schlucken oder die Luft anhalten. Wenn Ihnen erst im Nachhinein auffällt, dass Sie geseufzt haben, halten Sie Ihren Atem zehn bis fünfzehn Sekunden lang an, um den Verlust an Kohlendioxid auszugleichen.
  • Vermeiden Sie tiefe Atemzüge beim Gähnen oder wenn Sie sprechen. Versuchen Sie, während des Gähnens nicht zu tief Luft zu holen. Wenn Sie bemerken, dass Sie beim Sprechen hörbar atmen, sprechen Sie langsamer und in kürzeren Sätzen und atmen Sie zwischen einzelnen Sätzen ruhig durch die Nase.
  • Beobachten Sie Ihre einmal Atmung den ganzen Tag über. Eine gute Atmung im Ruhezustand sollte weder sichtbar sein noch Geräusche machen.
Mann bläst Luftballon auf

Die richtige Atmung gilt auch als Burnout-Prävention © Aaron Amat / Shutterstock

Atemtechnik zum Entspannen

Uns stockt der Atem, wenn uns etwas überrascht, wir halten die Luft an, wenn wir gespannt sind – generell sollten wir einfach öfter mal die Luft anhalten! Mit gezielten Atempausen und regelmäßigem Training können wir unseren Körper wieder an die ursprüngliche Atmung gewöhnen. Schon ein über eine Dauer von zehn bis zwölf Minuten anhaltender Luftmangel stellt die Rezeptoren im Gehirn neu ein, sodass sie eine höhere Kohlendioxidkonzentration tolerieren. Bitte halten Sie jetzt nicht zwölf Minuten lang die Luft an! In der Übung geht es darum, die Sauerstoffaufnahme zu reduzieren und das Gehirn wieder daran zu gewöhnen, dass es eigentlich mit weniger Sauerstoff auskommt.

Folgend wird ein Höhentraining simuliert, wie es Profisportler zu Leistungssteigerung praktizieren. Das hat zum Ziel, dass Sie reduzierter atmen. Die Übung lässt sich ganz einfach während des Radfahrens durchführen. ACHTUNG: Wenn Sie gesundheitliche Probleme haben, sollten Sie diese Übungen nur mit der Zustimmung Ihres Arztes durchführen. Wenn es zu Schwindel oder anderen Nebenwirkungen kommt, brechen Sie die Übung bitte sofort ab!

  • Sobald Ihr Körper aufgewärmt ist, atmen Sie aus und halten den Atem für die Dauer von fünf bis fünfzehn Pedalumdrehungen an.
  • Nehmen Sie die normale Nasenatmung wieder auf und fahren Sie etwa eine Minute lang weiter.
  • Wiederholen Sie diese Atemübung während Ihrer Fahrt acht- bis zehnmal.
Fraut atmet tief durch

Wer richtig atmen möchte, sollte ausschließlich durch die Nase Luft holen © Valua Vitaly / Shutterstock

Schnarchen und Schlafprobleme? Diese Atemtechnik hilft!

Die Nase ist das Organ, das ursprünglich zum Atmen gedacht war. Der Mund ist ausschließlich zum Essen und zum Reden da … gut, und zum Küssen. Die Atmung durch die Nase sorgt für einen natürlichen Widerstand, erwärmt die Luft, bevor sie die Lunge erreicht, feuchtet sie an und filtert dank Nasenhärchen zusätzlich die Keime, Bakterien und Partikel aus der Luft.

Bei der Mundatmung wird diese natürliche Schutzbarriere einfach übergangen und mit jedem Atemzug gelangt ein meist zu großes Atemvolumen ungehindert ins Lungensystem. Häufig in Stresssituationen, wenn der Herzschlag schneller und Adrenalin ausgeschüttet wird, und wenn wir das Gefühl haben, der Sauerstoff, den wir durch die Nase aufnehmen können, reiche nicht mehr aus, atmen wir durch den Mund. Meist wäre das nicht nötig.

Unterbewusst übernehmen wir diese Angewohnheit auch nachts – Schlafprobleme und Schnarchen können auftreten. Die folgende Übung macht die Nase frei, damit Sie ungehindert durch sie hindurch atmen können.

  • Nehmen Sie einen kleinen, geräuschlosen Atemzug durch die Nase und atmen Sie ebenso geräuschlos und leicht durch die Nase aus.
  • Halten Sie die Nase mit den Fingern zu, um die Luft anzuhalten.
  • Gehen Sie so viele Schritte wie möglich mit angehaltenem Atem. Versuchen Sie, einen mittleren bis starken Luftmangel aufzubauen, ohne es zu übertreiben.
  • Wenn Sie die Atmung wieder aufnehmen, tun Sie dies nur durch Ihre Nase. Versuchen Sie, Ihren Atem sofort wieder zu beruhigen.
  • Nach der Wiederaufnahme der Atmung wird Ihr erster Atemzug wahrscheinlich volumenreicher als normal sein. Achten Sie darauf, dass Sie Ihre Atmung so schnell wie möglich beruhigen, indem Sie den zweiten und dritten Atemzug unterdrücken.
  • Sie sollten in der Lage sein, die normale Atmung innerhalb von zwei oder drei Atemzügen wiederherzustellen. Wenn Ihr Atem unregelmäßig oder schwerer als üblich ist, haben Sie die Luft zu lange angehalten.
  • Warten Sie ein oder zwei Minuten, bevor Sie den Atem erneut anhalten.
  • Um sich auf das längere Atemanhalten vorzubereiten, gehen Sie der ersten Wiederholungen locker an und erhöhen die Anzahl Ihrer Schritte bei jedem Durchgang etwas.
  • Wiederholen Sie die Übung insgesamt sechsmal. Sie werden im Anschluss ein relativ starkes Verlangen nach Luft verspüren.

Nie wieder Atemnot

Haben Sie sich beim Lesen des Artikels ertappt, wie Sie durch den Mund oder in den Brustkorb atmen? Wenn Sie das nächste Mal in eine Stresssituation geraten und das Gefühl haben, nach Luft schnappen zu müssen, atmen Sie nicht tief durch, sondern halten Sie einfach mal die Luft an, um Ihre Atmung zu normalisieren. Achten Sie mehrmals am Tag auf Ihre Atmung, bis sich die richtige Technik automatisiert und Sie weniger schnell außer Puste kommen – ganz nach Theodor Fontane: „Es ist und bleibt ein Glück, vielleicht das höchste, frei atmen zu können.“

Buchtipp:

Buchcover Sauerstoff

Erfolgsfaktor Sauerstoff – Wissenschaftlich belegte Atemtechniken, um die Gesundheit zu verbessern und die sportliche Leistung zu steigern ● Patrick McKeown ● Softcover, 384 Seiten ● April 2018 ● Riva Verlag

Fotos: © Aaron Amat; Cookie Studio; Valua Vitaly; Wayhome Studio / Shutterstock