Immer mehr Weine tragen das Label Biowein. Aber woran erkennt man, ob es sich wirklich um ökologischen Anbau handelt? Und wo liegt da überhaupt der Unterschied? Wir haben einen Experten gefragt! 

Ein Gläschen zu einem feinen Essen oder als Schorle an einem sonnigen Tag: In Deutschland greift man neben Bier auch gerne zum Wein. 19,2 Liter wurden pro Person von August 2022 bis Ende Juli 2023 laut deutschem Weininstitut getrunken. Wer einen nachhaltigen Lebensstil pflegt, sollte zu Biowein aus ökologischem Anbau greifen. Welche Vorteile das hat und was Biowein vom konventionellen Erzeugnis unterscheidet, erklärt Andreas Hattemer, Bundesvorsitzender von Ecovin, dem Bundesverband ökologischer Weinbau, im green Lifestyle Interview.

Biowein: lecker und nachhaltig; Foto © Kym Ellis via unsplash.com
Biowein: lecker und nachhaltig; Foto © Kym Ellis via unsplash.com

Biowein: Wie unterscheidet sich ökologischer von konventionellem Weinbau?

Die Herangehensweise unterscheidet sich sowohl beim Anbau im Weinberg als auch bei der Behandlung und Lagerung im Keller. Für den Weinberg gilt bei der ökologischen Variante: keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel, sondern ausschließlich Mittel auf naturstofflicher Basis! Es kommen weder mineralische Stickstoffdünger noch Herbizide zum Einsatz. Außerdem wird Monokultur durch artenreiche Zeilenbegrünungen aufgebrochen. Das Gebot ist: nützlich fördern! Das bezieht sich auch auf die Humusbildung des Bodens, denn: Gesunde Reben stehen auf gesunden Böden! Später im Keller kommt es darauf an, dass auf Weinbehandlungsmittel oder Verfahren, die sehr energieintensiv sind oder problematische Abfälle erzeugen, verzichtet wird. Und ganz wichtig: keine radikalen Eingriffe in den Wein!

Warum ist Nachhaltigkeit im Weinbau wichtig?

Weil Nachhaltigkeit überall wichtig ist! Das Problem ist hier aber die Definition. Leider gibt es keine klaren gesetzlichen Regelungen. Deshalb schwurbelt sich jeder etwas in seinem Sinne zurecht.

Lässt sich jede Rebsorte ökologisch anbauen und zum Biowein machen?

An sich ja, aber bei manchen ist es schwieriger, bei anderen leichter. Am einfachsten sind neue, robuste Sorten mit Resistenzen gegen Krankheiten. Man nennt sie Zukunftsweine oder auch Piwis – also Pilzwiderständige.

Wie stellt man auf ökologischen Weinbau um?

Zunächst meldet man sich bei einer staatlich akkreditierten Ökokontrollstelle an. Es folgt ein jährliches Audit sowohl im Betrieb als auch auf den Weinbergen. In der Regel dauert die Umstellung drei Jahre.

Wie erkenne ich als Konsument, ob es sich um einen Biowein aus ökologischem Anbau handelt und was kann ich beachten?

Am EU-Biosiegel mit Angabe der Kontrollstellen-Nummer – und nur so! Unter bioc.info kann man außerdem alle Betriebe finden. Zusätzlich gibt es Siegel der Verbände oder Eigenmarken der Verkäufer. Aber: Ohne EU-Siegel ist es kein Bio!

Schmeckt man vielleicht sogar einen Unterschied, wenn es sich um einen Biowein handelt?

Das ist auf den einzelnen Wein gesehen leider nicht möglich. Wenn man ein Weingut aber schon lange kennt und über Jahre begleitet, bin ich sicher, dass man mit der Umstellung einen positiven Wandel erkennen kann.

Ist Biowein aus ökologischem Anbau automatisch vegan?

Bio und vegan hat so viel miteinander zu tun wie die Motorleistung und die Farbe eines Autos – gar nichts. Da Bioweine aber im Keller in der Regel mit weniger Behandlungsstoffen in Kontakt kommen, fällt Biowinzern eine vegane Produktion oft leichter. Prinzipiell können alle anderen Weine vegan produziert werden.

Im Grunde kann jede Rebsorte ökologisch angebaut werden; Foto © Maja Petric via unsplash.com
Im Grunde kann jede Rebsorte ökologisch angebaut werden; Foto © Maja Petric via unsplash.com

Was hat sich in der Branche in den vergangenen Jahren getan und wo sehen Sie Herausforderungen für den ökologischen Weinbau?

Die Branche hat die EU-Öko-Verordnung seit 1991 stets begleitet und weiterentwickelt. Ecovin wurde schon 1985 als Bundesverband gegründet und hat sich Richtlinien gegeben. Diese wurden vom Gesetzgeber damals in großen Teilen übernommen. Zu Anfang allerdings nur für den Weinberg. Erst seit 2012 gibt es die EU-Kellerrichtlinien und damit reicht die Ökoverordnung bis in die Flasche. Daran hat Ecovin ebenfalls maßgeblich mitgewirkt. Eine große Herausforderung ist einerseits der Klimawandel mit immer extremeren Wetterereignissen wie Dürre, Starkregen, Hagel oder Spätfrost. Andererseits bereitet die zunehmende Unschärfe des Ökobegriffs durch Labels wie regional, nachhaltig und vegan Schwierigkeiten, wenn es um tatsächlich ökologischen Weinbau geht.

Ein Blick in die Zukunft des Bioweins: Was wünschen Sie sich für den Weinbau?

So einiges! Zum einen engagierte Mitstreitende in Haupt- und Ehrenamt. Menschen, die für den Weinbau brennen und damit unsere Kulturlandschaften erhalten. Wichtig ist aber zudem eine Politik, die sich an Wissenschaft und Praxis orientiert und Möglichkeiten schafft, in Deutschland tolle Weine handwerklich herzustellen und zu vermarkten. Weniger Bürokratie von Seiten der EU wäre ebenfalls hilfreich. Und zu guter Letzt: Weintrinker, die bewusster konsumieren und Produktionsweisen hinterfragen!

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