Wie sieht die Zukunft der Wildinsekten aus, und was bedeutet sie für uns alle? In einer ARD-Dokumentation für „Erlebnis Erde“ begibt sich die bekannte Tatort-Kommissarin Maria Furtwängler auf eine Spurensuche – von Bayern über das Alte Land und die Schwäbische Alb bis nach Kalifornien.
Ihre Kraft schöpft Maria Furtwängler aus der Natur. An den bayerischen Seen, in den Bergen, Wäldern und in ihrem Garten verbringt die Schauspielerin, Produzentin und promovierte Medizinerin am liebsten ihre Freizeit. Genau dort entfachte bereits als Kind eine große Leidenschaft für Insekten. Die Beobachtung der Natur um sie herum weckte ihre Liebe für diese unscheinbaren Mitgeschöpfe.
Hier kannst du dir die Dokumentation „Das Ende der Insekten? Maria Furtwängler auf Spurensuche“ kostenlos ansehen.
Heute ist Maria Furtwängler NABU-Insektenbotschafterin und Hobby-Imkerin mit einer Reihe von Bienenstöcken. Gemeinsam mit ihrer Tochter rief sie 2016 die MaLisa Stiftung ins Leben, die sich seit 2022 auch den Themen Klimaschutz und Biodiversität widmet, denn das globale Insektensterben bereitet ihr zunehmend Sorge. Als Anwältin der Insekten begibt sich Maria Furtwängler nun auf eine aufrüttelnde Reise.
„Das Ende der Insekten?“ – Maria Furtwängler im Interview
Interview/Text: Sabrina Werner

Fotocredit © Doclights GmbH / NDR Naturfilm
In welchem Fall ermitteln Sie in Ihrem neuen Projekt?
Maria Furtwängler: Es geht um den Tatort Natur. Insekten, das klingt überflüssig, für manche sogar ein bisschen eklig. Doch diese kleinen Wesen sichern unser aller Überleben. Es hilft meines Erachtens nicht, schwarz zu malen. So reifte die Idee dieses Projekts in mir, da ich mich seit vielen Jahren sehr mit der Materie beschäftige.
Ich freue mich riesig, dass es gelang, es gemeinsam mit dem NDR als Partner umzusetzen. Mit der Dokumentation „Das Ende der Insekten?“ habe ich mich auf die Suche nach Geschichten und Initiativen des Gelingens gemacht. Ich möchte weniger einen Täter überführen, sondern Wege zur Wiedergutmachung aufzeigen.
Auf ihrer Reise besuchen Sie inspirierende Forscher*innen, Naturschützer*innen und Landwirt*innen bei ihrer Arbeit vor Ort.
Maria Furtwängler: Im Alten Land in Niedersachsen befindet sich Nordeuropas größtes zusammenhängendes Obstanbaugebiet. Vor allem Äpfel gibt es hier in rauen Mengen, hier habe ich Bio-Apfelbauer Eckart Brandt besucht oder auch Expert*innen wie die Naturforscher Wulf und Dorothea Gatter, die auf der Schwäbischen Alb den Insektenzug untersuchen und Insekten zählen, die deutsch-schweizerische Agroökologin Dr. Angelika Hilbeck oder Entomologin Dr. Bodil Cass in den USA.
Gab es neue Erkenntnisse, die Sie besonders beeindruckt haben?
Maria Furtwängler: So vieles! Dass sich viele Schmetterlingsarten wie beispielsweise der Admiral im Spätsommer oder Herbst wie Zugvögel auf eine weite Reise in den Süden begeben, um in wärmeren Gebieten zu überwintern, hat mich schon immer beeindruckt. Aber dass auch solche kleine Lebewesen wie Schwebfliegen hunderte Kilometer in Richtung Mittelmeer reisen, wie Luftplankton, das war mir neu.
Woher kommen Ihre Faszination und Ihr Engagement für Insekten?
Maria Furtwängler: Als Kind durfte ich die Sommer regelmäßig an den Seen Bayerns verbringen. Bienen, Hummeln und Co., die an der Wasseroberfläche trieben oder gestrandet waren, habe ich gerettet und ihnen kleine Krankenhäuser aus Schilf und Blättern gebaut, damit sie sich erholen können. Die Leidenschaft für diese kleinen Mitgeschöpfe um mich herum ließ mich nicht mehr los.
Diese große Liebe für die Zartheit und Zerbrechlichkeit, die Intelligenz von Insektenindividuen und ganzen Schwärmen, die mit der gesamten Natur im Einklang leben und interagieren, wird immer größer, je mehr ich über sie lerne. Ich liebe Insekten, ich bewundere sie, ich finde sie unglaublich faszinierend.
„Wir müssen aufhören, Mensch und Natur separat zu sehen. Es geht um die Lebensgrundlagen von uns allen.“
Haben Sie im Laufe Ihres Lebens Unterschiede in der Entwicklung der Insektenwelt feststellen können?
Maria Furtwängler: In meinem Garten im bayerischen Alpenvorland bemerke ich seit einigen Jahren vor allem, dass mir immer weniger Schmetterlinge begegnen. Insbesondere Pfauenaugen und den Kleinen Fuchs sichte ich so gut wie gar nicht mehr. Dieser enorme Schwund schockiert mich. Und obwohl ich meinen Garten bereits danach ausgerichtet habe, dass er Schmetterlingen, Hummeln, Schwebfliegen und anderen Insekten reichlich Nahrung und Lebensraum bietet, ist auch hier offensichtlich, wie es Jahr um Jahr immer weniger Insekten gibt.
Auch eine Studie von Wulf Gatter, des Naturforschers auf der Schwäbischen Alb ergab, dass seit Beginn seiner Untersuchungen nur noch sechs Prozent des damaligen Insektenbestandes existiert. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Zahlen dramatisch verringert. Von fast 600 Wildbienenarten in Deutschland ist die Hälfte in Gefahr, mindestens 60 einheimische Schmetterlingsarten sind bereits verschwunden und ein Drittel der Schwebfliegenarten Europas schwebt am Rande des Aussterbens. Insgesamt gelten 42 Prozent unserer Insektenarten als gefährdet, extrem selten oder bereits ausgestorben.
Und es geschieht noch viel zu wenig, um diese Entwicklung zu bremsen.
Maria Furtwängler: Aktuell sehe ich noch viel zu wenige Bemühungen, um dem entgegenzuwirken. Hinzu kommt die Klimakrise! Infolge der wärmeren Winter schlüpfen viele Insektenarten zu früh und finden noch kein Nahrungsangebot. Die Situation in den USA mit ihrer hochtechnisierten Landwirtschaft ist sogar noch dramatischer und öffnet den Blick in das, was uns vielleicht noch bevorsteht.
Schon Albert Einstein wusste: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, keine Menschen mehr.“ Wir sind abhängig von Insekten als Bestäuber für Nutzpflanzen, sie regulieren die Schädlinge, recyceln Abfälle und dienen als Nahrungsquelle für unzählige andere Tiere. Wir müssen aufhören, Mensch und Natur separat zu sehen: Wir sind Teil der Natur. Es geht um die Lebensgrundlagen von uns allen.
Biodiversität ist somit kein Luxus oder „nice-to-have“, sondern Grundlage unserer Existenz. Insekten sind die unscheinbaren Helden unseres Planeten. Und wir rauben ihnen den Lebensraum und besprühen ihn mit Pestiziden. Die konventionelle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen und dichten Bepflanzungen bietet weder ausreichend Nahrung, noch einen adäquaten vielfältigen Lebensraum. Zwischen den Feldern befinden sich kaum Büsche, Feuchtbiotope oder wilde Wiesenflächen.
Zur Person
Maria Furtwängler, geboren 1966 in München, ist Schauspielerin, Produzentin und promovierte Ärztin. Neben ihrem Engagement als NABU-Insektenbotschafterin sowie für German Doctors e.V. betreibt sie gemeinsam mit ihrer Tochter Elisabeth seit 2016 die MaLisa Stiftung, die sich der Geschlechtergerechtigkeit und dem Schutz der Artenvielfalt verschrieben hat. Zuletzt stellte die Stiftung ihre Studie „Klimawandel und Biodiversität: Was zeigt das Fernsehen – was wollen die Zuschauer*innen?“ vor.

Foto © Doclights Naturfilm / Florian Leo
Das Argument lautet oft: Die konventionelle, hochproduktive Form der Landwirtschaft sei unumgänglich, wenn man die wachsende Weltbevölkerung ausreichend ernähren wolle …
Maria Furtwängler: Es darf kein Schwarz-Weiß-Denken geben, kein Denken in Kategorien wie „Verhungern“ oder „Vergiften“, „Mensch“ oder „Insekten“, denn wir sind als intelligente, kreative Spezies zu einer Verbesserung der Lebensbedingungen aller Lebewesen auf diesem Planeten fähig. Weshalb kann man der Landwirtschaft nicht mehr Geld für einen Anbau im Sinne der Nachhaltigkeit zur Verfügung stellen und sie angemessen entlohnen, statt Milliarden in die Pestizidindustrie zu stecken, die Landwirt*innen in einer Abhängigkeit hält und ihnen sogar gesundheitlich schadet?
Erst kürzlich wurde Parkinson, eine unheilbare Nervenkrankheit, offiziell als Berufskrankheit in der Landwirtschaft anerkannt, weil Landwirt*innen Giften ausgesetzt sind, die Nervenschäden hervorrufen können. Es muss sich politisch etwas bewegen, damit Landwirt*innen aus diesem Teufelskreis aussteigen können. Man müsste zudem die momentan viel zu fleischlastige Ernährung überdenken. 70 Prozent der angebauten Pflanzen in Tiermägen. Es ist wichtig, jetzt zu handeln, den Dialog mit den verantwortlichen in der Politik sowie mit den Landwirt*innen zu suchen. Nur wenn wir alle zusammenarbeiten, kann ein Wandel gelingen.
Mit welchem Gefühl haben Sie die Reise beendet?
Maria Furtwängler: Was mich bei den Dreharbeiten am Allermeisten berührt hat, ist, wie viele der Insektenforscher*innen von einem drohenden Kollaps der Insektenpopulation sprechen. In dieser Deutlichkeit habe ich das vorher noch nicht gehört und mir auch nicht vorstellen wollen.
Doch ich habe gleichzeitig so tolle, engagierte und inspirierende Menschen kennenlernen dürfen, die mich fest an den Erfindungsreichtum von uns Menschen und die Entwicklung hin zu mehr Empathie für unsere Mitgeschöpfe glauben lassen, und ich nehme bereits ein langsames Umdenken wahr. Wir müssen uns aber noch viel mehr klarmachen: Der Erhalt von Biodiversität wird zunehmend auch ein Sicherheitsthema, denn wo es keine Bestäubung mehr gibt und infolge keine Nahrung, werden Menschen um Nahrung kämpfen, ja womöglich Kriege führen.
Auch unser Wohlstand, unsere Wirtschaft wird leiden. 70 Prozent unserer Lebensmittelproduktion hängen von der Natur ab. Und es geht auch um den Erhalt der ökologischen Vielfalt unserer Heimat. Ökosysteme sind kritische Infrastrukturen, die voneinander abhängen. Hier möchte ich die Biodiversitätsexpertin Frauke Fischer zitieren: „Das Klima entscheidet darüber, wie wir leben, die Biodiversität entscheidet, ob wir leben.“
„Ich liebe Insekten, ich bewundere sie, ich finde sie unglaublich faszinierend.“
Inwiefern gibt die Doku Inspiration für einen Bewusstseinswandel?
Maria Furtwängler: Wir zeigen Lösungen auf – und Menschen, die es bereits anders machen. Und, ganz wichtig: Jeder Einzelne kann in seinem persönlichen Wirkungskreis etwas tun. Ich kann anfangen meinen Balkon oder meinen Garten naturfreundlicher zu gestalten und damit weitere inspirieren. Mich einer Initiative anschließen, die sich für das Gute einsetzt, sei es politisch, gesellschaftlich oder im Naturschutz.
Mit meinen Liebsten über Sorgen aber auch Ideen und Möglichkeiten sprechen, denn zusammen lässt sich mehr bewirken. Ich kann meine persönlichen Hebel nutzen, und die hören nicht am Gartenzaun auf. Ich kann schauen, woher der Kaffee, die Schokolade oder andere Produkte stammen, wie sie angebaut wurden und mich als Konsumentin bewusst täglich für nachhaltig und biologisch angebaute Produkte entscheiden.
Was tun Sie persönlich?
Maria Furtwängler: Meinen Garten gestalte ich so, dass er Heimat vieler verschiedener Insekten ist. Mit einer artenreichen Blühwiese, einem Magerwiesenteil und einem Feuchtbiotop mit Libellen. Dazu viele Sträucher und Obstbäume. Über das Imkern habe ich einen noch intensiveren Zugang zur Natur gefunden – und gelernt, welche Blüten Honigbienen am liebsten anfliegen und was Wildbienen oder Schmetterlinge besonders anzieht.
Extra für Zitronenfalter habe ich Kreuzdorn und einen Faulbaum angepflanzt. Brennnesseln, Klee, kriechender Günsel und viele weitere Pflanzen wachsen hier wie „Unkraut“ – und sind so gut für Insekten! Film und Fernsehen sind ebenso ein wichtiger Hebel, die Menschen bei Veränderungen zu begleiten und ihnen ein ehrliches, authentisches Bild von der Welt und der Gesellschaft zu zeigen.
Und damit meine ich nicht, dass wir mehr Klima-Katastrophenfilme brauchen. Ganz im Gegenteil. Geschichtenerzähler*innen haben mit jedem Format und in jedem Genre, egal ob TV-Drama, Doku oder Entertainment-Show, die Kraft mit positiven und nachhaltigen Lebensweisen zu inspirieren. Mut und Hoffnung zu geben und zeigen wie es möglich sein kann, auf diesem Planeten auch noch viele Jahre gut leben zu können.
„Das Ende der Insekten? Maria Furtwängler auf Spurensuche“
Eine Doclights GmbH Produktion in Zusammenarbeit mit Atalante Film GmbH im Auftrag des NDR für DAS ERSTE,
Regie: Anna Maria Behrends
Abrufbar in der ARD Mediathek

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