Gesunde Ernährung für Kinder: Viele Krankheiten wie Diabetes oder Herzprobleme sind ernährungsbedingt – aber vermeidbar. Eltern sollten ihre Kinder früh an eine vollwertige, nachhaltige Ernährung gewöhnen und sie aktiv beim Kochen einbinden. Agnes Streber, Diplom-Oecotrophologin und Gründerin des Ernährungsinstituts Kinderleicht, gibt wertvolle Tipps aus 20 Jahren Erfahrung.

Gesunde Ernährung für Kinder

Abbildungen: © Marcos Castillo, redchocolate / Shutterstock.com; © kinderleichtmuenchen

Agnes Streber, Diplom-Oecotrophologin, ist Gründerin des Ernährungsinstituts Kinderleicht. Sie berät seit 20 Jahren Erwachsene und Kinder zu gesunder Ernährung. Nachhaltigkeit und Klimaverträglichkeit liegen ihr dabei besonders am Herzen.

green Lifestyle: Was macht für Sie eine nachhaltige Ernährung aus?

Nachhaltigkeit meint einerseits, dass die Lebensmittel, die wir konsumieren, für uns gesundheitsförderlich und nachhaltig sind, und andererseits für unseren Planeten. Ich empfehle, sich an der Planetary Health Diet zu orientieren.

Was umfasst dieser Ansatz?

Lebensmittel in Bioqualität, regional, saisonal, weil sie nicht nur eine bessere Nährstoffdichte haben, sondern auch die kürzesten Wege. Im Durchschnitt hat jedes Lebensmittel, bevor es auf den Teller wandert, 2000 Kilometer hinter sich! Nur wenig Fleisch und Fisch konsumieren. Ein Kilo Rindfleisch hat 15 000 Liter virtuelles Wasser verbraucht. Ich empfehle, Flexitarier zu sein.

Das heißt?

Nur ein bis zweimal Fleisch pro Woche und dann aber in hoher Qualität. Außerdem so wenige Milchprodukte wie möglich, auch für Butter etwa entstehen viele CO2-Emissionen. Und wir sollten Lebensmittel möglichst in der Ursprungsform zu uns nehmen. Je mehr verarbeitet wird, desto mehr Ressourcen braucht es. Nehmen wir die Kartoffel als Beispiel: Wenn sie hier in Süddeutschland angepflanzt wird, irgendwo anders Chips daraus gemacht und einmal durch die Welt in die Supermärkte gefahren werden, verbraucht sie viele Ressourcen. Die Alternative ist: Ich kaufe sie hier auf dem Markt und mache Offenkartoffeln.

Sie sagten, möglichst wenig Fleisch und Milchprodukte. Gilt das auch für Kinder?

Auf jeden Fall. Ich treffe auf immer mehr Kinder, die sich dafür entscheiden, vegetarisch zu leben. Zum Teil haben sie bessere Nährstoffwerte als Menschen, die sich omnivor ernähren. Die Kinder sind gut versorgt, wenn sie frisch, qualitativ hochwertig, bio, vollwertig und ab und zu Milchprodukte essen. Wenn sich Kinder vegan ernähren, braucht es aber Fachwissen und eine gute Beratung, um alle Nährstoffe zu bekommen.

Ich habe eine dreijährige Tochter, sie isst im Moment am liebsten Nudeln pur. Wenn Kinder solche Phasen haben, wann muss ich mir Sorgen machen?

Kindergartenkinder wollen in dem Alter gerne Klarheit bei den Lebensmitteln und selbst auswählen. Sie mögen keine bunte Reispfanne mit allem drin, sondern die Lebensmittel lieber separat. Wenn das Angebot vielfältig ist, müssen Sie sich gar keine Sorgen machen. Ich frage die Eltern immer, wer bestimmt, was auf den Tisch kommt? Das sind Sie! Solange Sie dafür sorgen, dass eine vollwertige Vielfalt auf den Tisch gelangt und nicht jeden Tag die Nudeln, ist das in Ordnung.

Und wenn das Kind nichts von dem Tisch essen möchte?

Ihr Kind hat ebenfalls eine Verantwortlichkeit. Wenn es sich entscheidet, nichts davon zu essen, ist das seine Entscheidung, und dann geht es eben hungrig ins Bett. Das kann man selbst dreijährigen Kindern zutrauen. Manchmal tendieren Eltern außerdem zu einem Überangebot, was Kinder überfordert.

Zum Beispiel?

Nicht jeden Morgen fragen: „Was magst du jetzt frühstücken?“ Besser Rituale einführen, wie Montag ist Müsli-Tag, Dienstag Brot-Tag etc. Es muss ja alltagskompatibel sein. Wenn wir am Wochenende mehr Zeit haben, kann man mit dem Kind sprechen, was es möchte: „Du hast die drei Auswahlmöglichkeiten: Brot mit Herzhaftem, Brot mit Marmelade oder Porridge – was möchtest du?“

Wie genau sieht ein vielfältiges Angebot aus?

Täglich Gemüse, Obst, Vollkorn-Getreide und regelmäßig Milchprodukte anbieten, keine Fertigprodukte und nur wenig beziehungsweise gar kein Süßes. Altersentsprechend dürfen Kinder mitentscheiden. Ein Kind mit drei kann zum Beispiel zwischen Birne und Apfel wählen.

Sobald das Kind in den Kindergarten geht, wird es schwierig, Süßes zu vermeiden. Wieviel ist vertretbar?

Bis zum Schulalter empfehle ich so wenig wie möglich Süßigkeiten und wenn, dann selbstgemacht. Es ist ein großer Unterschied, ob ich Industriekekse kaufe oder Muffins mit Obst und wenig Zucker selbst mache. Wenn im Kindergarten einmal pro Woche ein Kindergeburtstag stattfindet, bei dem es Kuchen gibt, dann ist das Stück Kuchen von der Zuckermenge bereits das Quantum für die ganze Woche. Um realistisch zu bleiben, würde ich sagen, dass ein paar Gummibärchen und ein Vollkornkeks pro Tag vertretbar sind. Sobald die Kinder in der Schule sind, kann man mit ihnen verhandeln und gemeinsam schauen, was hochwertige Süßigkeiten sind. Manche Produkte in den Supermärkten bezeichne ich als Körperverletzungen.

Welche?

Etwa die Milchschnitte und Schokoriegel. Wenn man an der Zutatenliste nicht mehr erkennen kann, was es für ein Produkt ist und die vielen chemischen Stoffe und Zusatzstoffe darin dazu verleiten, noch mehr davon zu essen.

Also lohnt es sich immer zu prüfen, welche Zutaten in Industrieprodukten enthalten sind?

Auf jeden Fall. Beispiel Frühstückscerealien: 70 Prozent davon sind Süßigkeiten. Oder wenn ich meinem Kind Toastbrot mit Nutella zum Frühstück gebe, ist das Schokolade. Wir haben ein Bewusstsein dafür verloren, was Süßigkeiten überhaupt sind und welche Unterschiede es gibt. Es gibt vollwertige Süßigkeiten, an denen man sich satt essen darf. Zum Beispiel Dinkelgrieß mit selbstgemachtem Apfelmus, vorher die Lieblingssuppe des Kindes, etwa eine Brokkoli-Cremesuppe – so sind die Vorlieben des Kindes bedient.

Wie sieht es aus mit Obst, gibt es da ein Zuviel?

Wie bei allem braucht es ein gutes Maß. Ich empfehle Ess-Rhythmen: drei bis fünf Mahlzeiten am Tag – Frühstück, nach Bedarf einen Vormittagssnack, Mittagessen, ein Snack am Nachmittag, Abendessen. Wenn bei diesen Mahlzeiten Obst dazu gegessen wird und kein Daueressen stattfindet, wird es nicht zu viel. Der Körper braucht Essenspausen, und Kinder sollten das Hungergefühl kennen.

Wie kann ich mein Kind von Anfang an an diese Ernährungsform gewöhnen?

Beziehen Sie es mit ein. Mit drei Jahren kann ein Kind schon lernen, einen Apfel selbst zu schneiden. Bei allem, was das Kind selbst zubereitet, erhöht sich die Offenheit, es zu probieren. Beim gemeinsamen Kochen probiert das Kind, kann mit abschmecken. Ich sage immer, dass ein Kind mit zehn bis zwölf Jahren zwei Suppen aus dem Effeff können sollte, ein Brot und einen Kuchen backen, einen Auflauf und zwei verschiedene Soßen für Nudeln. Denn wer kochen kann, kann sich gesund ernähren und braucht keine Fertigprodukte. Das stärkt das Selbstbewusstsein. Statt dem Kind den Auftrag zu geben, den Müll einmal pro Woche rauszubringen, würde ich es lieber beauftragen, einmal pro Woche Brot selbst zu backen.

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