Zwischen den Jahren liegen die Rau(h)nächte: Um sie ranken sich Geschichten und Bräuche. Auch das Räuchern gehört dazu. Was es damit auf sich hat, erfährst du in diesem Artikel.

Rauhnächte

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Die Zeit zwischen Heiligabend und dem 6. Januar ist meist ruhig. Man verbringt viel Zeit zu Hause, lebt von Essen zu Essen, wartet auf Silvester, und irgendwann weiß man nicht mehr recht, welcher Tag eigentlich ist. Diese zwölf Nächte tragen auch den Namen Rau(h)nächte.

Sie sind verbunden mit sagenhaften Gestalten, mit Aberglauben, aber auch mit Bräuchen. Seit einiger Zeit erfreuen sich die Rau(h)nächte und damit verbundene Handlungen wie das Räuchern großer Beliebtheit. Aber was war und ist ihre Bedeutung? Wir haben versucht, Antworten zu finden.

Rau oder Rau(c)h?

Eine, die sich mit Bräuchen und Ritualen auskennt, ist Dr. Lisa Maubach. Sie ist Leiterin der Abteilung Alltagskultur und Sprache am LVR-Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte. Dort untersucht sie unter anderem die Verbindung von materieller und immaterieller Kultur.

Sie betont die beobachtende Rolle des Instituts: „Wir forschen zu Bräuchen und zu Ritualen. Dabei stellen wir fest, dass sich Rituale wirklich verändern.“ Gerade diese Wandlungen sind für Maubach spannend. Und lassen sich auch bei den Rau(h)nächten erkennen: Das Interesse an den damit verbundenen Ritualen nimmt nämlich zu.

Um zu verstehen, warum das so ist, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit hin zu den Ursprüngen der Rau(h)nächte. Schnell wird aber klar: Ganz eindeutig ist das alles nicht. Schon wortgeschichtlich sei es schwierig, erklärt Maubach. „Es gibt keine genaue Herleitung des Wortes, und es gibt keine einhellige Meinung darüber, wo es genau herkommt.“

Es gibt zwei Ansätze: Einer geht davon aus, dass der Begriff von rau, also pelzig oder fellig, komme. „Da gibt es dieses Verständnis davon, dass in diesen Rau(h)nächten pelzige, fellige Wesen unterwegs sein sollen“, so die Wissenschaftlerin. Die andere Perspektive ist, dass das Wort und die Schreibweise Rauhnächte von Rauch kämen – also „wirklich im Sinne von Räuchern oder Reinigen“.

Heute kann man nicht mit Sicherheit sagen, woher der Begriff stammt. Ebenso gibt es verschiedene Vermutungen zu den Ursprüngen der Rau(h)nächte. Zuerst einmal müsse man sich klarmachen, was es mit diesem Zeitraum zwischen dem 24. Dezember und dem 6. Januar auf sich habe, stellt Maubach klar: „Es ist diese Zeit ‚zwischen den Jahren“. Zwölf Nächte, die sich sozusagen aus der Differenz zwischen dem Mond- und dem Sonnenkalender ergeben haben.“

Solche Zwischenzeiten seien „Übergangszeiten, in denen im Prinzip nicht die normale Ordnung besteht“. Eine Zeit also, „die man sich als Mensch selbst sortieren und organisieren“ müsse: „Dafür haben die Menschen sich verschiedene Rituale, Handlungsweisen überlegt, diese Zeit der – ich sage jetzt etwas überspitzt – Orientierungslosigkeit zu sortieren und zu ordnen.“

Heute sei man aufgeklärter und könne sich vieles anders erklären. Dennoch habe man eben „all diese Geschichten und Bräuche, die unsere Vorstellungen von den Rau(h)nächten geprägt haben.“ Es gibt verschiedene Ideen dazu, wo sie herkommen.

Einerseits sind sie von der Natur beeinflusst: Es ist dunkel, dennoch handelt es sich um eine Zeit, in der es langsam wieder heller wird. Diesen Hergang musste man sich früher plausibel machen. Dazu kommen religiöse Prägungen: „Weihnachten ist vorbei, das neue Jahr steht an. Das Alte wird verabschiedet, das Neue wird begrüßt.“

Zu guter Letzt habe es noch eine wirtschaftliche Komponente gegeben. Denn es war eine „ökonomische Zeit des Wandels, weil das Gesinde in dieser Zeit frei, sozusagen ohne Herrschaft ist.“ Somit herrschte zwischen den Jahren Arbeitsruhe: „Eine Zeit für die innere Einkehr, eine Zeit für die Reinigung, die innere Reinigung vielleicht, um das Alte zu verabschieden und sich auf das Neue vorzubereiten.“

Rauhnächte Räucherschale

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Raue Nächte und wilde Jagd

Vor diesem Hintergrund vollzogen die Menschen bestimmte Handlungen. Damit zum Beispiel die Arbeitsruhe eingehalten wird, entwickelte sich der Aberglaube, dass denjenigen, die sich betätigen, ein Unglück geschehe. Daher gibt es die Regel, keine Wäsche zu waschen und aufzuhängen.

Wer sich hinauswagte und arbeitete, musste befürchten, von wilden Wesen verschleppt zu werden. Außerdem, so schreibt der Bayerische Rundfunk, schützte das Daheimbleiben die Menschen davor, sich mit Krankheiten anzustecken.

Zwei Gestalten, vor denen man sich in alpenländischen Regionen besonders fürchtete, waren zum Beispiel Perchta und Wotan beziehungsweise Wode. „Zwei Figuren, die unterwegs sind und eine wilde Jagd betreiben nach den Leuten, die sich nicht an die Vorgaben halten und arbeiten.“

Perchta ist diejenige, die Personen entführt und Dinge kaputt macht. Wode ist der Anführer der wilden Jagd. Sie und andere unheimliche Wesen, so glaubte man, könnten ihr Unwesen auf der Erde treiben, weil in den Rau(h)nächten die Tore zur Unterwelt beziehungsweise Geisterwelt offen stünden.

„Die Geister und die Seelen der Verstorbenen haben Ausgang. Dämonen können Umzüge veranstalten oder mit der wilden Jagd durch die Lande ziehen“, schreibt der Bayerische Rundfunk dazu. Aus Angst vor Begegnungen mit den gruseligen Geschöpfen ließen die Menschen die Arbeit ruhen und blieben eher zu Hause. Zugleich erklärte man sich mit diesen Erzählungen Wetterphänomene wie zum Beispiel kalte Winde und Stürme, die zu dieser Jahreszeit tobten.

Ebenfalls bekannt sind die Rau(h)nächte als Zeit des Vorhersagens. So betrachtete man die zwölf Nächte symbolisch für jeden Monat des kommenden Jahres. Je nach Wetter der Nacht wurde das Wetter des Monats vorhergesagt.

Tipps fürs Räuchern

Generell sind als Räucherwerk natürliche Stoffe besonders gut geeignet. Am besten achtet man beim Kauf darauf, dass das Produkt aus ökologischem Anbau stammt und unter fairen Bedingungen produziert wurde. Von Rauchware mit synthetischen Zusatzstoffen sollte man lieber die Finger lassen.

Wie das jeweilige Material verräuchert wird, hängt von der Räucherzeremonie ab. Es gibt verschiedene spirituelle, religiöse oder kulturelle Räucherrituale, die verschiedenes bewirken sollen. Ein paar Tipps sind aber allgemeingültig.

  • In der Regel vorher und nachher lüften, währenddessen Fenster geschlossen halten.

  • Rauchmelder abschalten nicht vergessen.

  • Vorsicht Verbrennungsgefahr: Räuchergut am besten nur mit einer Zange anfassen oder in eine mit Sand gefüllte Schale legen.

  • Räucherkohle anzünden und in die Schale legen, warten, bis sich auf der gesamten Kohle eine feine Ascheschicht gebildet hat.

  • Räucherwerk portionsweise auf die Kohle geben, wenn es verbrannt riecht, neues Material auflegen.

  • Nicht vergessen, nach dem Ritual den Rauchmelder wieder zu aktivieren.

Die Sache mit dem Rauch

Das Räuchern kann Teil von Hygienemaßnahmen sein, zum Beispiel im Lebensmittelbereich, erklärt Maubach. Dort werden Dinge mithilfe von Rauch länger haltbar gemacht. Andererseits seien „Räucherrituale fester Bestandteil von spirituellen Handlungen“.

Im christlichen Glauben kennt man das aus der Bibel: „Die drei Weisen aus dem Morgenland bringen Weihrauch, Gold und Myrrhe mit.“ In der biblischen Erzählung werden die wertvollen Harze aus Weihrauch und Myrrhe verbrannt. Maubach schließt: „Wenn man etwas verbrennt, das kostbar ist, bringt man ein Opfer dar, weil man ein hohes materielles Gut ins Nichts überführt. Man huldigt damit quasi höheren Gottheiten im Himmel.“

Überspitzt könne man sagen, dass der Rauch eine Verbindungslinie sei. Er nehme die eigenen Gebete, die eigenen Wünsche mit ins Jenseits. „Vom irdischen Hier ins transzendente Dort.“

In der christlichen Religion sei Weihrauch zum Beispiel Teil der Messe, der Sakramente, aber auch von Begräbnissen. Dabei gehe es „immer um Verehrung von Gott, um Reinigung und Gebet.“ Rauch sieht die Wissenschaftlerin daher als „wichtiges Element“, das auch in anderen Religionen zum Einsatz komme.

Das Räuchern als Teil spiritueller, religiöser oder kultureller Praxis hat einen für die Zeit zwischen den Jahren bedeutenden Vorteil: „Das Gute daran ist, dass es etwas ist, das man zu Hause machen kann“, stellt Maubach fest.

In einer Zeit, in der es draußen dunkel, kalt und unter Umständen gefährlich ist, muss man sich so nicht in eine Kirche oder Kultstätte begeben. „Es ist sozusagen ein kleines Rauchopfer, das man zu Hause machen kann […] und bei dem man für sich selbst sofort und offensichtlich die Verbindungslinie nach oben sieht.“

Rauhnächte: Und heute?

Bis heute ist die Zeit zwischen den Jahren eine „Interimszeit“ zwischen Feiertagen und Arbeit, meint Maubach. Es sei zu beobachten, dass zur Zeit der Rau(h)nächte vor allen Dingen die „innere Einkehr“ wichtig für die Menschen sei. Es gehe um „eine Zeit der Besinnung nach der turbulenten Vorweihnachtszeit.

Zudem wollen Menschen eine Art Reset. Sie überlegen, was sie im kommenden Jahr möchten: „Sie verabschieden das Alte und begrüßen das Neue. Dazu führen sie bestimmte Rituale durch, um sich vorzubereiten.“ Hier könne man ebenso das Element der Reinigung finden – in dem Fall jedoch mentale Reinigung. Häufig zeige sich ein spirituelles Bedürfnis oder eben der Wunsch, sich „in irgendeiner Form in einen größeren Zusammenhang zu stellen.“

Manche Elemente, die für Menschen früher zwischen den Jahren eine Rolle spielten, sind also noch vorhanden, dennoch: „Die Rau(h)nächte, wie sie früher praktiziert worden sind, sind heute, wenn sie noch durchgeführt werden, mehr ein Ritual im Sinne eines Rückgriffs auf Vergangenes oder vergangene Vorstellungswelten. Es hat eigentlich nichts mit unserer aktuellen Vorstellungswelt zu tun“, führt die Kulturwissenschaftlerin aus.

„Insofern zeigt sich gerade an diesem neuen Interesse an den Rau(h)nächten, wie stark sich Rituale und Bräuche wandeln und unseren Bedürfnissen anpassen.“ Gerade in der Corona­ pandemie hätten Bräuche im häuslichen Bereich Aufwind bekommen. Die Zeit zwischen den Jahren war, während Infektionsschutzmaßnahmen galten, für viele einsamer.

Die Besinnung auf sich selbst sei eine Art, die Zeit zu füllen und sich mit sich selbst zu beschäftigen. Das zunehmende Interesse an den Rau(h)nächten, das Bedürfnis nach einem „Reset“, danach sich rauszunehmen, zeige, dass sich die Gesellschaft wandelt und mit ihr die Bräuche und Rituale.

„Das macht so deutlich, […] dass die Rau(h)nächte von früher nicht die Rau(h)nächte von heute sind und nicht die Rau(h)nächte der Zukunft sein werden.“

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