Wasser brauchen wir für vieles, aber vor allem für’s Überleben. Leider wird die kostbare Ressource überall auf der Welt rar. In vielen Regionen spielt dabei auch Tourismus eine Rolle. Wie Reisen Wasserknappheit beeinflusst.
Die Tourismusbranche boomt: „Der Tourismus zählt zu den am schnellsten wachsenden Wirtschaftssektoren weltweit: 2019 wurden weltweit mehr als 1,5 Milliarden touristische Ankünfte registriert“, schreibt der WWF. Die Prognose für 2036 liege gar bei 1,9 Milliarden. Ganz vorne mit dabei sind deutsche Reisende: 70 Millionen Urlaubsreisen werden pro Jahr von Deutschland aus gestartet.

Wasserknappheit ist auf der ganzen Welt ein Problem; Foto © Piyaset via shutterstock.com
Wasserknappheit: Wie Tourismus sie verstärkt
Doch vom wachsenden Wirtschaftszweig profitieren nicht alle: Der Umwelt schadet er vor allem. Aktuell, so geben es die Umweltschützerinnen und -schützer an, verursache der weltweite Tourismus etwa acht Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen. Doch nicht nur der CO2-Ausstoß ist bedenklich: In vielen Regionen, gerade in solchen, die ohnehin unter Wasserstress stehen, begünstigen Ströme an Reisenden Wasserknappheit.
Besonders beliebt ist das Mittelmeer als Reiseziel. „Jedes Jahr zieht es, je nach Zählweise, 220 beziehungsweise 320 Millionen Besucher an die Gestade von Spanien bis zur Türkei“, so der WWF. Bis 2025 könnten sich diese Zahlen nach Prognosen der Welt-Tourismus-Organisation sogar verdoppeln. Doch die Umweltschutzorganisation warnt vor Wasserknappheit: „Das allerdings wäre das Todesurteil für zahlreiche Feuchtgebiete rund um das Mittelmeer, denn bereits heute wird dort das Süßwasser knapp.“

Pegel sinken drastisch: Normalerweise kann man nur die Spitze der Kirche Sant Romà de Sau in einem spanischen Stausee sehen; Foto © Santi Rodriguez via shutterstock.com
Schon jetzt ist die Lage rund um das Mittelmeer problematisch. Langanhaltende und extreme Dürren sorgten in Südeuropa bereits im vergangenen Jahr für Wasserkanppheit. In Katalonien zum Beispiel waren laut Medienberichten die Stauseen bereits im April nur noch zu 26 Prozent gefüllt, während es im Vorjahr um diese Zeit noch 58 Prozent waren. Im Sommer dann rief die Wasserbehörde den Dürre-Notstand aus. In manchen Orten wurde nachts das Wasser abgestellt. Manche Dörfer, so berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung, konnten sogar nur noch mit Tankwagen versorgt werden.
Ernst wurde die Lage aber auch in Norditalien. Für drastische Bilder sorgte die Wasserknappheit an und im Gardasee: Im vergangenen Jahr fiel der Wasserpegel des Gewässers enorm. Aufnahmen zeigten, wie Menschen zu Fuß zu einer Insel im See spazierten. Eine schon zwei Jahre andauernde Trockenphase gepaart mit hohen Temperaturen und geringen Niederschlägen, so fasst die Deutsche Welle zusammen, habe den Wasserpegel derart sinken lassen.
Kein Ende in Sicht: Wasserverbrauch steigt
Austrocknende Seen, so informiert die Tagesschau, seien indes eine weltweite Entwicklung. Ein Forscherteam rund um den Hydrologen Fangfang Yao von der University of Colarado habe gezeigt, dass sich die Wassermenge in großen Teichen in den vergangenen drei Jahrzehnten „drastisch reduziert“ habe. Als Gründe geben die Wissenschaftler die Erwärmung des Klimas sowie den menschlichen Verbrauch an. Dieser hat sich in den vergangenen 100 Jahren versechsfacht, wie aus dem UN Weltwasserbericht 2020 hervorgeht. Dort heißt es weiter, dass er „infolge von Bevölkerungswachstum, wirtschaftlicher Entwicklung und sich änderndem Konsum“ jährlich um ein Prozent wächst. Insgesamt – zu diesem Schluss kommen viele Stimmen aus Medien, Wissenschaft und Umweltschutzorganisationen – ist der Wasserverbrauch viel zu groß.
Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass Dürren in Zukunft nicht nur noch häufiger, sondern auch länger und intensiver auftreten werden. Ein Report der Vereinten Nationen zeigt, dass schon heute etwa 3,6 Milliarden Menschen in Gebieten leben, „die voraussichtlich mindestens einen Monat pro Jahr von Wasserarmut betroffen sind“. Prognostiziert wird, dass es sich bis 2050 um 4,8 bis 5,7 Milliarden Menschen handeln könnte.

Wasserknappheit in Norditalien: Eine Insel im Gardasee können Besucher zu Fuß erreichen; Foto © DELBO ANDREA via shutterstock.com
Pools, Golfplätze, Grünanlagen: Warum Tourismus Wasserknappheit verschärft
Die bereits kritische Situation verstärkt der Tourismus. Wasser sei eine „durch Tourismus besonders stark in Mitleidenschaft gezogene Ressource“, stellt Professor Dr. Wolfgang Strasdas, der zu nachhaltigem Tourismus forscht, fest. Er führt aus: „Dies liegt zum einen daran, dass der direkte und indirekte Wasser-verbrauch von Hotelgästen in den meisten Zielgebieten sehr viel höher als in privaten Haushalten ist.“ Laut der Organisation Brot für die Welt, die sich auf eine Studie von Stefan Gössling und Paul Peeters aus dem Jahr 2015 stützt, lag der „jährliche direkte und indirekte Wasserverbrauch des Tourismus […] 2010 bei 138 Kubikkilometer.“ Das heißt, auf einen Reisenden kommen im Durchschnitt 6575 Liter pro Tag. Bis 2050 rechnen die Wissenschaftler „wegen des touristischen Wachstums und der Zunahme wasserintensiver Reiseangebote sowie Transportmittel“ sogar mit einer Verdoppelung.
Pools und Co. steigern den Wasserbedarf in Feriendomizilen und das Risiko der Wasserknappheit. Je mehr Gadgets ein Hotel bietet, desto höher ist der Verbrauch: zehn bis 875 Liter könnten pro Reisetag hinzukommen, so Gössling und Peeters. Beobachten lässt sich das in Spanien, das gerade unter Deutschen eine beliebte Reisedestination ist: „Rechnerisch ist der Wasserbedarf von Urlaubern in Spanien rund dreimal höher als zu Hause“, zeigt ein Beitrag der ARD. Angeführt wird hier Marbella: Eigentlich zählt die Provinz 400 000 Einwohnende, doch zur Hochsaison sind es dreimal mehr. Der Wasserbedarf ist dann derart hoch, dass er nur durch die Entsalzung von Meerwasser gedeckt werden kann. Zu diesem Mittel wird immer öfter gegriffen, um an Süßwasser zu kommen. Doch die Methode hat Nachteile: Sie verbraucht extrem viel Energie.
Wasserknappheit: ökologisches und soziales Problem
Der Tourismusforscher Strasdas sieht „sauberes, zum Trinken geeignetes (Süß-)Wasser“ jedenfalls als Ressource, „deren Verknappung eine zentrale Herausforderung“ sei. Sie habe aber nicht nur eine „ökologische Dimension“, sondern berge auch „sozialen Zündstoff“. Denn: Wenn es ums Wasser geht, entsteht eine „Konkurrenz insbesondere zwischen Tourismus, dem Trinkwasserbedarf der lokalen Bevölkerung und der Landwirtschaft“, formuliert das Umweltbundesamt. Ein Beispiel führt der Informationsdienst Tourism Watch an: Während der Dürren zwischen 2016 und 2018 wurde Menschen, die in Arbeitervierteln in Kapstadt leben, das Wasser abgestellt. Luxus- und Touristenviertel dagegen blieben vorerst versorgt, erst auf dem Höhepunkt der Krise trafen die Beschränkungen auch sie. Das regte Hotels zwar zum Umdenken an und in vielen Bereichen greifen nun wassersparende
Maßnahmen. „Dennoch wurden wasserintensive Angebote wie Golfspielen oder Wasserparks nicht aus dem Tourismusportfolio Südafrikas gestrichen“, schreibt Tourism Watch. Oftmals sind die Einnahmen aus dem Sektor so groß, dass Einbußen ein wirtschaftliches Risiko darstellen würden. Dann wird häufig nicht nur die Umwelt, sondern auch die Bevölkerung hinten angestellt.
Wasserknappheit: Wie kann man gegensteuern?
In Marbella und ebenso andernorts setzt man nun zum Beispiel Regenwasser oder recyceltes Wasser ein, um Rasen und Wiesen grün zu halten. Trotzdem stellt sich die Frage: Wird nicht selbst dieses Wasser an anderer Stelle dringender gebraucht? Sicherlich reichen Sparmaßnahmen im Reisebereich allein nicht aus, um Wasserknappheit zu bekämpfen. Sektoren wie die Landwirtschaft verbrauchen ebenfalls viel Wasser. Dennoch müssen, so sieht es Wolfgang Strasdas, „Wassermanagement und Wassersparmaßnahmen“ Element eines nachhaltigen Tourismus sein.

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