Die Weltmeere sind überlastet: Korallen sterben, Schildkröten und Delfine strangulieren sich mit schwimmendem Plastikmüll und in Fischen sowie anderen Meerestieren sind Rückstände von Mikroplastik zu finden. Die Ozeane bedecken rund 70 Prozent unserer Erdoberfläche und sind damit der größte Lebensraum der Erde. Umso trauriger, dass der Mensch auch hier auf dem besten Wege ist, diesen Lebensraum mit all seinen Bewohnern zu zerstören.

Text Babett Müller

Die Unterwasseraufnahme zeigt eine Wasserschildkröte und weitere kleine Fische an einem Korallenriff, auf dem sich das Sonnenlicht durch die Wasseroberfläche bricht.

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Meeren droht Überfischung

Niemand hätte zu Beginn des 20. Jahrhunderts daran gedacht, dass die Meere überfischt werden, Fischbestand komplett verschwindet und bedrohte Fischarten unwiederbringlich aussterben könnten. Nachdem die beginnende industrielle Fischerei im Zweiten Weltkrieg eine Zwangspause einlegen musste, erschienen die Fischbestände zu Beginn der 1950er-Jahre noch unendlich. Es war sogar die Rede davon, dass die Fische nur gefangen werden müssten, um auf Dauer die ständig wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können. Nicht nur im Fisch, sondern auch in anderen Meeresbewohnern sahen viele ein großes Potenzial als Nahrungsquelle für die Bevölkerung. Die Meere galten als unendlich reich, doch wie sich bald herausstellen sollte, ist das nur ein Märchen. Irgendwann sind die Meere erschöpft.

Technischer Fortschritt erobert die Ozeane

Der technische Fortschritt machte auch vor den Meeren nicht halt. Der industrielle Fischfang breitete sich innerhalb weniger Jahrzehnte von den klassischen Fanggebieten auf der Nordhalbkugel in Richtung Süden aus und eroberte die gesamten Meere. Die Fangschiffe wurden immer größer,

Frisch gefangene Fische der Art Kabeljau liegen übereinander und warten auf die Weiterverarbeitung. Ihre Haut und die Augen glänzen und zeigen dadurch die Frische des Fangs.

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die Motoren immer leistungsfähiger. Das ermöglichte es, immer größere Fangnetze anzuwenden. Das gelang sogar mit Präzision. Im Gegensatz zu früher mussten keine scharfkantigen Riffe und Schiffswracks mehr umfahren werden, um die Netze nicht zu beschädigen. Hochsensible 3D-Sonargeräte, die Satellitennavigation und digitale Karten ermöglichen heute eine genaue Ortung von Hindernissen und ein metergenaues Befischen der Meere.

Wachsende Ausbeutung der Meere

Die moderne Technik ermöglicht somit die Ortung großer Fischschwärme auf dem freien Meer. Mit der gezielten Befischung wird auch die Erbeutung des letzten Exemplars einer Spezies möglich. Von dieser Technik bleibt auch die Tiefsee nicht verschont, da die Netze bis in eine Tiefe von 2000 Metern hinuntergelassen werden können.

Eine große Zahl an Fischerbooten liegt im Hafen Lauwersoog, der eine der größten Fischfang-Flotten der Niederlande innehat.

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Noch vor einigen Jahren hätte keiner geglaubt, dass der Hering, der als Allerweltsfisch galt, auf die Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Tierarten geraten könnte. Leider war das im Jahr 2018 tatsächlich der Fall. Die Weltnaturschutzorganisation IUCN, die International Union for Conservation of Nature, stufte den Hering der westlichen Ostsee als stark gefährdet ein. Der Klimawandel leistet seinen Beitrag dazu, genauso wie die Rippenqualle Meerwalnuss, die eine ernsthafte Bedrohung für den Fischlaich darstellt. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit. Der Hauptgrund für diese Entwicklung sind die von der EU zu hoch angesetzten Fangquoten der Küstenfischer. Die EU-Fischereiminister berücksichtigten die Interessen der Fischereiindustrie und blieben deshalb hinter den Vorschlägen der Experten zurück. Die wissenschaftlichen Empfehlungen wurden vom EU-Fischereirat auch für 2019 ignoriert, was zur Festlegung zu hoher Fangquoten für Hering, Kabeljau und andere in Nordsee und Atlantik lebende Fischarten führte.

Fakten zur Überfischung

Die Fakten zur Überfischung der Weltmeere sprechen ihre eigene Sprache:

Links und rechts von dem Fischkutter auf hoher See sieht man riesige Fangnetze, die aus dem Wasser ragen.

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  • Überfischung oder Zusammenbruch von 33,1 Prozent der Fischbestände in den Weltmeeren, europaweit von 40 Prozent der Fischbestände
  • Der Pro-Kopf-Verzehr von Fisch- und Meeresfrüchten liegt bei 20,1 Kilogramm im Jahr, in Europa sind es 25,5 Kilogramm im Jahr. Portugal ist mit einem Pro-Kopf-Verzehr von 55,3 Kilogramm im Jahr Spitzenreiter, während Deutschland mit 13,3 Kilogramm pro Kopf und Jahr eine untergeordnete Rolle spielt.
  • Pro Jahr werden in der EU 1,7 Millionen Tonnen Fisch und andere Meerestiere als nicht genutzter Beifang weggeworfen. Die EU-Kommission schätzt, dass 15 Prozent der weltweiten Fänge aus illegaler Fischerei stammen.

Das ist eine traurige Bilanz, die Verbraucher zum Nachdenken über ein bewussteres Verhalten anregen sollte.

Können Meeresfische noch
mit ruhigem Gewissen gegessen werden?

Angesichts dieser Fakten werden sich viele bewusste Verbraucher fragen, ob sie Meeresfische noch mit gutem Gewissen essen können. Und eine Frage drängt sich auf: Kann Fischfang wieder nachhaltiger gestaltet werden? Viele Produkte in den Supermärkten sind mit Nachhaltigkeitssiegeln wie dem MSC-Siegel des Marine Stewardship Council oder dem ASC-Siegel des Aquaculture Stewardship Council gekennzeichnet. Unabhängige Untersuchungen von führenden Instituten und Meeresforschern zeigen jedoch, dass diese Siegel mehr versprechen als sie halten.

Wer auf Meeresfische nicht verzichten, aber bewusst konsumieren möchte, sollte auf die Fangmethode achten, die inzwischen bei den meisten Produkten angegeben ist. Mit schonenden Fangmethoden wurde bei Produkten mit der Kennzeichnung „pole and line“ oder „hook and line“ gefischt. Die Fischereien arbeiten mit Schleppangeln, Angelruten, Rute und Leine und anderen schonenden Fangmethoden. Bei diesen Methoden wird der Meeresboden nicht geschädigt, Jungfische können so gut wie unverletzt wieder freigelassen werden, Beifang ist nahezu ausgeschlossen. Zu den schonendsten Fangmethoden zählt auch der Einsatz von Reusen oder Fischfallen, doch kommt es darauf an, dass die Reuse gesichert ist und nicht verlorengeht. Als Geisterreuse würde sie im Meer treiben und über viele Jahrzehnte zahlreiche Meerestiere sinnlos töten.

Verschiedene Fische liegen fangfrisch in Kisten, um auf einem Fischmarkt verkauft zu werden.

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Delfinbaby essen: Youtuber Inscope schokiert mit seinem Video

Anfang Oktober 2019 sorgte Youtuber und Influencer Inscope für Aufsehen. In seiner Instagram-Story war zu sehen, wie er sich gemeinsam mit Freunden ein dekadentes Abendessen zubereitete: ein seltenes Delfinbaby sollte aufgetischt werden. Die Bilder gingen viral und der Aufschrei war groß – zu Recht. Denn bedrohte Tiere sollten geschützt statt gegessen werden.

Am darauffolgenden Tag veröffentlichte der 24-jährige Youtube-Star ein Statement zu der Aktion und klärt auf: alles nur Show für eine wichtige Sache. Der Delfin war eine Attrappe, der verspeiste Fisch Thunfisch aus nachhaltigem Fang. „Ich will gar nicht wissen, wie viele Leute an diesem Abend meine Story reingezogen haben, irgendeinen Hate-Kommentar an mich geschrieben haben, gleichzeitig aber links neben ihnen der gute Thunfischsalat mit dem allerletzten Billigthunfisch aus der untersten Schublade gegessen wurde.“ , sagt Inscope in seinem Video. „Für diesen Billigthunfisch ist garantiert ein Babydelfin draufgegangen!“

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Mehr Informationen

Hinter dieser Aktion stehen auch Followfish, die sich für nachhaltigen Fischfang einsetzen.  Ziel war es, Bewusstsein dafür zu schaffen, was wir essen und welche Konsequenzen unbedachter Konsum mit sich bringt.

Auf Plattfisch verzichten

Bewusste Konsumenten sollten auf Plattfisch verzichten, wenn sie nicht wissen, wie er gefangen wurde. Die Seezunge ist beliebt, doch werden für ein Kilo dieses Plattfisches mitunter sieben bis zehn Kilogramm Meerestiere sinnlos getötet.

Was jeder einzelne zum Schutz der Meere tun kann:
Der Fischführer von Greenpeace

Greenpeace bietet einen guten Fischführer an. Er ist 26 Seiten lang und steht als PDF-Datei sowie als App für Android und iOS bereit. Er informiert über Fische, deren Bestände und die Fangmethoden und hilft Verbrauchern beim gezielten Konsumverhalten.

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Quelle: Ratgeber „Zum Zustand der Meere“ vom Vorstand der Deutschen Stiftung Meeresschutz, Ulrich Karlowski.