Zahlreiche Wildtierarten leben in unseren heimischen Gefilden. Ist eines von ihnen in Gefahr, wollen viele Menschen eingreifen, wissen jedoch nicht, dass die gut gemeinte Rettungsaktion die Lage verschlimmern oder das Tier in Stress versetzen könnte. Wir zeigen anhand verschiedener Szenarien, wie Sie helfen können, wenn Wildtiere in Not geraten.

Text Helen Schmidt

Es dringt ein leises Piepsen durch die Gräser – ist es der Ruf eines Lebewesens in Gefahr? Viele Menschen wollen Wildtieren in Not helfen, wenn sie sich verirrt haben, krank, geschwächt, verwaist oder verletzt sind. Doch auch, wenn wir es gut meinen: Bei einer Rettungsaktion kann man viel falsch machen und nicht immer ist ein Eingreifen notwendig oder hilfreich.

Reh liegt im Gras

Wie kann man einem verletzten Reh helfen? Foto © Amanda Kloska von Unsplash.com

Rehe, Hasen, Vögel und Co. koexistieren mit uns Menschen in Wäldern und Feldern und haben sich ihren Lebensumständen angepasst. Wir sollten die Bedürfnisse eines Wildtieres verstehen lernen und nur bedingt sowie unter Abwägung verschiedener Faktoren einschreiten. Wir erklären, was Sie tun können oder wie Sie sich richtig verhalten, wenn Sie Wildtiere in Not finden.

Was tun, wenn man ein notleidendes Wildtier gefunden hat?

Wenn man ein Lebewesen findet, das verwaist, krank oder verletzt sein könnte, sollte es zunächst beobachtet werden. Wägen Sie ab, ob die Umstände tatsächlich Ihr Handeln erfordern. Denn nicht alle Tiere sind wirklich hilfebedürftig! Sollte das Tier jedoch offensichtlich verletzt oder schwer krank sein, kann ein Tierarzt oder Veterinär helfen. Dieser entscheidet dann, ob es zur Pflege in menschliche Obhut kommen soll. Danach müssen Sie es unverzüglich wieder in die Freiheit entlassen.

Trotz Ihrer guten Intention kann ein Eingreifen negative Auswirkungen für das Lebewesen haben. Viele Wildtiere besitzen ein natürliches Fluchtverhalten und geraten in extremen Stress, wenn sie nicht fliehen können. Verlassene Jungtiere wie Rehkitze oder Jungfüchse können von der Mutter verstoßen werden, wenn Sie diese anfassen. Laut dem Bundesnaturschutzgesetz ist es zudem verboten, geschützte Arten aus der Natur zu entfernen. Um ein krankes Wildtier aufnehmen zu können, das dem Jagdrecht unterliegt, bedarf es der vorherigen Zustimmung eines Jagdausübungsberechtigten. In bestimmten Fällen zieht dieser es vor, das Tier von seinem Leid zu erlösen. Holen Sie sich Rat und Anweisungen von einem Veterinär, Tierarzt oder einem Tierschutzverein, bevor Sie Handeln!

Wie kann man Wildtieren helfen, die im Winter keine Nahrung finden?

Wenn in der kalten Jahreszeit eine dicke Schneedecke den Boden bedeckt, wird es für Eichhörnchen, Vögel und Co. schwieriger, Futter zu finden. Manchmal geraten die Wildtiere in Not und brauchen Hilfe. Unterstützen Sie beispielsweise Eichhörnchen bei der Futtersuche. Die Nagetiere lieben Nüsse, Kerne und Samen. Aber auch Möhren, Äpfel und Birnen schmecken ihnen gut. Die Tierschutzorganisation Vier Pfoten empfiehlt, diese sowie kleine Schälchen mit Wasser an verschiedenen erhöhten Plätzen zu verteilen. Auf Ästen, Mauern oder in Vogelhäusern sind die kleinen Tierchen vor einer hungrigen Katze sicher. Größere Wasserbehältnisse wie Regentonnen sind übrigens lebensgefährlich für Eichhörnchen, da sie meist nicht wieder hinausklettern können, wenn sie hineinfallen. Daher raten wir, diese abzudecken oder einen Ast als Kletterhilfe hineinzustellen.

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Eichhörnchen nehmen Futterhilfen im Winter gerne an. Foto © pure-julia von Unsplash.com

Wie verhalte ich mich, wenn ich ein Wildtier angefahren habe?

Autofahrer sollten besonders in der Dämmerung und auf Straßen, die durch oder entlang der Wälder führen, achtsam, geschwindigkeitsreduziert und bremsbereit fahren. Die Gefahr mit einem Wildtier zu kollidieren, ist hier generell erhöht und nimmt im Herbst nochmal deutlich zu. Meist haben vor allem kleinere Lebewesen bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug keine Chance. Jedoch können beispielsweise ein Reh, ein Fuchs oder ein Wildschwein einen Zusammenstoß überleben – nicht selten aber mit schweren Verletzungen. Jetzt müssen Sie schnell handeln. Es ist als PKW-Fahrer Ihre gesetzliche Pflicht, sich um verletzte Wildtiere in Not zu kümmern und noch vor Ort die Polizei zu rufen. Ohne Ihre Hilfe würde es sich im schlimmsten Fall lange quälen, bis es schließlich seinen Verletzungen erliegt. Bleiben Sie an der Unfallstelle, bis Rettungskräfte eintreffen, bewahren Sie Ruhe und halten Sie Abstand, denn Rehe, Füchse und Co. können in unnötigen Stress geraten und daraufhin sehr wehrhaft sein.

Ein Jungvogel ist aus dem Nest gefallen, muss ich ihn retten?

Entgegen der Annahme, dass ein junger, flugunfähiger Vogel, der alleine auf dem Boden sitzt, keine Überlebenschance hat, benötigen nur die wenigsten Jungvögel tatsächlich Hilfe. In vielen Fällen handelt es sich nämlich um sogenannte Nestflüchter wie der Nachwuchs von Enten, Gänsen, Schwänen und Hühnervögeln, die ganz bewusst ihr sicheres Umfeld verlassen, bevor sie fliegen können. Ihr Daunengefieder ist zu diesem Zeitpunkt bereits gut entwickelt. Durch Lock- und Bettelrufe werden sie weiterhin von den Eltern gefüttert. Auch einsame ältere Jungvögel von Nesthockern wie Eulen, Raben, Greifvögeln, Drosseln, Finken und Meisen, die schon ein Federkleid haben, sind keine Wildtiere in Not und brauchen keine menschliche Hilfe. Nur wenn Sie einen jungen Vogel eines Nesthockers finden, der noch keine Federn besitzt oder der sich in unmittelbarer Nähe einer Gefahrenquelle wie einer Straße oder einer Katze befindet, sollten Sie ihn umsetzen.

Eine Fledermaus hat sich im Haus verirrt, wie helfe ich dem Wildtier nach draußen?

Laut der Tierschutzorganisation Peta kann es vor allem im Spätsommer, zwischen August und September, vorkommen, dass Ihnen Fledermäuse einen Besuch abstatten. Sie sind auf der Suche nach einem Schlafquartier für den Winter. Besonders die unerfahrenen Jungtiere der Zwergfledermaus gelangen durch gekippte Fenster nach drinnen, wo sie in Gardinen hängen und tagsüber schlafen. Im besten Fall finden sie in der Abenddämmerung durch weit geöffnete Fenster von selbst wieder hinaus. Suchen Sie aber im Zweifelsfall den Raum ab. Manchmal stecken Fledermäuse in Spalten, Vasen oder hinter Bildern, von wo sie unter Umständen nicht mehr alleine herauskommen – dann drohen sie, zu verhungern oder zu verdursten. Jetzt sollten Sie eingreifen und dem Wildtier helfen! Da die Flattertiere beißen und Tollwut übertragen können, sollten Sie sich einen Handschuh anziehen und vorsichtig zugreifen. Lassen Sie das Tier in der Dämmerung frei. Danach sollten Sie die Fenster für ein paar Tage geschlossen halten, denn Fledermäuse sind sehr ortstreu und kehren möglicherweise wieder.

Ein Wildtier hat sich im Haus verirrt

Eine Fledermaus versteckt sich in einer Ecke im Haus. Foto © Nils Bouillard von Unsplash.com

Brauchen Igel Hilfe bei der Überwinterung?

Wenn im Spätherbst die letzten Blätter von den Bäumen fallen, macht sich der Igel auf die Suche nach einem Winterquartier. In Städten gibt es jedoch kaum noch geeignete Plätzchen und das Insektensterben macht es ihm zunehmend schwerer sich Winterspeck anzufuttern und gesund zu bleiben. Wenn Sie dem Wildtier helfen möchten, sollten Sie auf geschwächten Exemplaren achten und diesen mit etwas Futter und einem gemütlichen Rückzugsort im Freien aushelfen. Am Wohlsten fühlen sie sich in naturbelassenen Gärten mit heimischen Pflanzen. Kompostecken, Laubhaufen und Holzstapel eignen sich prima als Versteck – dort finden sie Ruhe und Nahrung. Der Hamburger Tierschutzverein rät davon ab, die Tiere mit ins Haus zu nehmen oder sie komplett zu versorgen. So haben sie es im Frühjahr schwerer sich zurechtzufinden und sich gegen Artgenossen zu behaupten. Nur augenscheinlich sehr kranke Igel sollten vom Menschen aufgepäppelt werden. Diese erkennen Sie an einem schütteren Stachelkleid, wenn sie taumeln oder auf der Seite liegen. Igel mögen Katzenfutter, Eier und gebratenes, nicht gesalzenes Rinderhack. Kein Obst oder Gemüse füttern – ebenso keine Kuhmilch, denn Igel vertragen keinen Milchzucker.

Mein Hund hat ein Wildtier gefasst – was ist zu tun?

Ähnlich wie dem Wolf, liegt es vielen domestizierten Hunden in den Genen, ihrem Jagdtrieb nachzugehen. Nicht selten kommt es vor, dass frei laufende Fellnasen einem vorbeihuschenden Reh oder Hasen hinterherjagen. Wird das Wildtier vom Hund geschnappt, sind seine Überlebenschancen meist gering. In diesem Fall sollten Sie umgehend bei der jeweiligen Unteren Jagdbehörde den Jagdpächter ausfindig machen und ihn informieren. Dieser wird sich um das verletzte oder tote Tier kümmern. Sie selbst sollten Abstand halten. Rehe und andere Wildtiere in Not geraten in Stress, wenn der Mensch sich nähert und sie nicht flüchten können.

Ist der Jagdtrieb Ihres Hundes sehr stark ausgeprägt, lassen sich solche Situationen nicht immer vollständig vermeiden. Es ist daher immer sicherer, ihn in Wäldern und Feldern stets an der Leine zu führen – auch zum eigenen Schutz Ihres Vierbeiners. Dieser kann sich unangeleint in Gefahr bringen, etwa wenn er im Jagdtrieb eine Straße überquert oder auf einen Abhang zu prescht. Längere Lauf- und Schleppleinen sind ein guter Kompromiss: so behalten Sie die Kontrolle über den Hund während er genügend Bewegungsfreiheit hat. Laut der Tierschutz Organisation Vier Pfoten dürfen Jäger Hunde sogar erschießen, wenn sie diese beim Wildern erwischen.

Hund im Wald ohne Leine

Ein unangeleinter Hund im Wald stellt immer ein Risiko für Wildtiere dar. Foto © Jamie Street von Unsplash.com

Fazit: Wildtieren in Not nur bedingt und mit Vorsicht helfen

Wildtieren in Not helfen zu wollen, ist ein gut gemeinter Gedanke und eine lobenswerte Geste. Allerdings sind fast alle Wildtiere die Nähe und das Eingreifen des Menschen nicht gewohnt und können in Angst und Stress geraten, wenn wir unüberlegt oder zu forsch agieren. Wägen Sie ab, ob das Tier wirklich Ihre Hilfe benötigt und Ihr Eingreifen erforderlich ist. Wenden Sie sich im Zweifelsfall an einen Tierarzt, einen Tierschutzverein oder einen Wildschützer.

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