Siegel und Logos für nachhaltige Produkte: Kann man ihnen trauen? Wir stellen zwei bekannte, internationale Zertifikate vor und erklären, wofür das EU-Bio-Logo und Fairtrade stehen.

Text Lisa Rupp

Nachhaltige Siegel und Zertifikate: Wer mit der eigenen Kaufentscheidung ein Zeichen für schonende und faire Herstellungsprozesse setzen möchte, orientiert sich häufig an den Labels auf der Verpackung. Sie kennzeichnen Waren, die nach festgelegten Standards nachhaltig, umweltfreundlich oder sozial produziert wurden. Allerdings scheint es fast, als gäbe es so viele Siegel und Zertifikate wie Waren in den Supermarktregalen. Wir sehen uns zwei der bekanntesten internationalen Siegel genauer an und erklären, was darin steckt, wenn’s draufsteht.

Fairtrade-Label: Siegel für soziale Standards

Das Fairtrade-Siegel erinnert an eine bunte Interpretation des bekannten Yin-Yan-Symbols: Auf schwarzem Grund bilden zwei Farbflächen – eine blaue in Form eines Tropfens und eine grüne in Form eines Blattes – einen Kreis, der zugleich die Erdkugel symbolisiert. Dieses Siegel ist heute auf immer mehr Produkten zu finden. Mit dem Kauf von beispielsweise Fairtrade-Kaffee, Fairtrade-Gold und sogar Fairtrade-Blumen  werden kleine Betriebe in Produktionsländern wie in Lateinamerika oder auf dem afrikanischen Kontinent unterstützt. In vielen dieser Länder gelten deutlich niedrigere soziale Standards als zum Beispiel hierzulande. Fairtrade-Produkte helfen dabei, die Bedingungen vor Ort zu verbessern.

Frauen in KeniaAuf Rosenfarmen in Kenia arbeiten zum größten Teil Frauen. Agnes Chebii (vorne) leitet das Gender-Komitee der Farm Ravine Roses. Fotograf: Christoph KöstlinAuf Rosenfarmen in Kenia arbeiten zum größten Teil Frauen. Agnes Chebii (vorne) leitet das Gender-Komitee der Farm Ravine Roses. Fotograf: Christoph Köstlin stehen in einem Gewächshaus für Fairtrade-Blumen mit Siegel für Nachhaltigkeit

Auf Rosenfarmen in Kenia arbeiten zum größten Teil Frauen, die durch den Kauf von Fairtrade-Schnittblumen unterstützt werden. Agnes Chebii (vorne) leitet das Gender-Komitee der Farm Ravine Roses. Foto © Transfair e. V. / Christoph Köstlin

Das Siegel, wie wir es heute kennen, existiert seit dem Jahr 2002. Die Geschichte und der organisierte Einsatz für gerechte Produktionsbedingungen sind schon älter: Die Bewegung für fairen Handel bekam in den 1950er-Jahren erstmals Struktur: Eine Gruppe aus Importeuren, NGOs (Nichtregierungsorganisationen) und Produzenten fand zusammen, um gemeinsam gegen Armut in den Ländern vorzugehen, aus denen viele Waren für reiche Industrieländer stammen. Daraus entstanden an mehreren Standorten auf der Welt Bündnisse, die sich für fairen Handel einsetzten.

Ein erstes Siegel speziell für fair gehandelten Kaffee wurde 1988 eingeführt. Benannt wurde es nach der Romanfigur Max Havelaar. Im gleichnamigen Roman aus dem 19. Jahrhundert wurden der Kolonialismus und das System der Ausbeutung scharf kritisiert. Den Namen Max Havelaar tragen noch heute eine Stiftung in der Schweiz und eine Organisation in Frankreich, die jeweils in ihren Ländern für Produkte mit Fairtrade-Siegel zuständig sind.

Das Kaffee-Siegel hatte Erfolg. So gründeten sich in der Welt verteilt weitere, voneinander unabhängige Verbände und Organisationen, um mehr faire Produkte mit Kennzeichnung anzubieten. In Deutschland entstand Transfair e. V., in anderen Ländern andere Siegel. Um international gleiche Standards zu etablieren und einheitlichen auftreten zu können, gründete sich aus den einzelnen Verbänden im Jahr 1997 eine Dachorganisation: Fairtrade International. Heute gehören dazu 25 nationale Organisationen wie in Deutschland, Schweiz, Österreich und Frankreich. Außerdem zählen drei Produzentennetzwerke und sieben Marketing-Organisationen zu Fairtrade International.

In seinen Anfängen konzentrierte sich das Fairtrade-Siegel hauptsächlich auf eine nachhaltige Verbesserung der Produktionsbedingungen durch soziale und ökonomische Standards vor Ort. Damit einhergehend wurden Kriterien wie Umweltverträglichkeit und ökologische Landwirtschaft nach und nach wichtiger. In einem Statement aus dem Jahr 2019 gibt die Organisation an, dass sich rund ein Drittel der Fairtrade-Vorgaben für kleinbäuerliche Produzentenorganisationen auf die Umwelt beziehen. Gewisse Voraussetzungen wie Bodenqualität oder ein festgelegter Abstand zu Feldern mit konventionellem Anbau können von vielen nicht erfüllt werden. Deswegen setzt Fairtrade keine Biostandards voraus, fördert vor Ort jedoch eine umweltverträgliche Produktion.

Ein Jutesack mit Kaffeebohnen, auf denen symbolisch das EU-Bio-Logo und das Fairtrade-Siegel drapiert sind.

Bekannte Siegel wie das EU-Bio-Logo (links) und Fairtrade (rechts) gewährleisten Mindeststandards bei Produktionsprozessen. Foto © Transfair e. V.

Biosiegel der EU – dafür steht das Sterneblatt

Siegel für Bioprodukte gibt es zahlreiche: Jede Supermarktkette hat ein eigenes Biosortiment mit entsprechender Kennzeichnung. Hinzu kommen etablierte Verbände für ökologische Landwirtschaft wie Naturland, Bioland oder Demeter. Der kleinste gemeinsame Nenner sind die Siegel, die nach Standards der Europäischen Union (EU) vergeben werden. Die aktuelle EU-Öko-Basisverordnung trat am 17. Juni 2018 in Kraft und gilt mit dem 1. Januar 2022.

Verpackte Produkte, die innerhalb der EU als Bio- oder Ökoware erzeugt oder verkauft werden, müssen durch Kontrollstellen geprüft und mit dem sogenannten EU-Bio-Logo gekennzeichnet werden. Das Logo zeigt ein aus Sternen geformtes Blatt auf grünem Hintergrund. Die Kriterien für das EU-Bio-Siegel sind:

  • 95 Prozent der verwendeten Zutaten müssen biologisch erzeugt sein.

  • Die übrigen fünf Prozent der verwendeten Zutaten müssen zusätzliche Vorgaben erfüllen. Beispielsweise sind synthetisch-chemische Dünger- und Pflanzenschutzmittel generell verboten und nur 70 von 400 Zusatzstoffen im fertigen Produkt zugelassen. Für tierische Erzeugnisse gibt es Vorgaben für eine artgerechtere Haltung.

  • Inhaltsstoffe dürfen nur entweder biologisch oder nicht biologisch sein. Das bedeutet, dass eine verwendete Zutat nicht zu einem Teil ökologisch und zum übrigen Teil konventionell erzeugt sein darf.

  • Eine Codenummer der Kontrollstelle zu dem Logo gewährleistet Transparenz und macht die Entstehung des Bioproduktes nachvollziehbar.

Verpackte Bioprodukte, die innerhalb der EU erzeugt und verkauft werden, müssen diesen Mindestanforderungen entsprechen. Werden zudem Kriterien der meist strengeren Anbauverbände und namhafter Organisationen eingehalten, können diese Siegel nach entsprechender Prüfung und Vergabe zusätzlich verwendet werden.

Das sechseckige Biosiegel in Deutschland

Die Wabe mit grünem Rand und dem Schriftzug „Bio“ sowie dem Verweis auf die Verordnung der EU kennzeichnet in Deutschland noch immer einige Produkte in geprüfter Bioqualität. Offiziell wurde es im Jahr 2010 durch das EU-weite Blattlogo aus Sternen ersetzt, damit in allen Ländern der Europäischen Union ein einheitliches Siegel zertifizierte Bioprodukte ausweist. Da das deutsche, sechseckige Biosiegel eine große Bekanntheit und eine hohe Akzeptanz hat, darf dieses für den deutschen Markt weiterhin verwendet werden. Es zeichnet jedoch keine strengeren oder zusätzlichen Standards aus als das EU-Logo.

Rote Tomaten in weißem Baumwoll-Frischenetz auf weißem Grund als Beispiel für nachhaltigen Einkauf.

Nachhaltig einkaufen ist gar nicht so schwer, wenn man sich etwas mehr Zeit nimmt und auf bestimmte Kriterien achtet. Wir geben Tipps für einen umweltbewussten Einkauf. Mehr lesen …

Nachhaltige Siegel für spezielle Produktgruppen

Eine Vielzahl von Siegeln und Zertifikaten sollen das bewusste und nachhaltige Einkaufen erleichtern. Für die unterschiedlichen Produktgruppen für Badezimmer über Kleiderschrank bis hin zur Küche müssen die jeweiligen Produktionsprozesse berücksichtigt und individuell bewertet werden. Um das zu gewährleisten, gibt es immer mehr Siegel, die sich spezialisieren. Manche zeichnen Produkte und Herstellungsprozesse einer bestimmten Branche aus wie beispielsweise das Siegel von GOTS (Global Organic Textile Standard) speziell für Kleidung und andere Produkte aus Biobaumwolle. Andere Zertifizierungen hingegen können Produkte aus unterschiedlichen Branchen tragen, beispielsweise das bereits vorgestellte Fairtrade-Siegel oder Demeter.

Was bewirken Siegel wie Fairtrade und Bio?

Je mehr Produkte nach umweltverträglichen Standards angeboten werden, desto mehr können gekauft werden. Dass die Nachfrage für diese Produkte steigt, zeigen Discounter wie Aldi, Lidl, Penny oder Netto. In den vergangenen Jahren wurde ein Sortiment mit zertifizierten Produkten eingeführt und es soll nach eigenen Angaben weiter ausgebaut werden. Die Arbeit von Siegeln wie Fairtrade oder dem EU-Bio-Siegel war und ist dabei sehr wichtig. Diese Siegel erzeugen Aufmerksamkeit und sensibilisieren Endverbraucherinnen sowie Endverbraucher für Produktionsprozesse und Hintergründe. Weil die Nachfrage für nachhaltige Produkte steigt, stellen auch mehr Produzenten ihre Prozesse um, damit sie die Kriterien für Siegel erfüllen.

Einheitliche Standards und Logos für einen internationalen Markt machen die Zertifikate von EU und Fairtrade zudem interessant für produzierende Betriebe. Sie können sich sicher sein, dass sie ihre Ware in mehreren Ländern entsprechend der Siegel und ihren Voraussetzungen vermarkten können – von Norwegen bis Italien. Auch die Verpackungen können weitestgehend einheitlich produziert werden.

Kritik an Siegeln für Nachhaltigkeit

Einer der größten Kritikpunkte ist die Unübersichtlichkeit. Weil es immer mehr Siegel für immer mehr Produktgruppen mit unterschiedlichen Kriterien gibt, verlieren Verbraucherinnen und Verbraucher den Überblick. Weil sie nicht wissen, welche der vielen Logos wirklich glaubwürdig sind, vertrauen sie keinem mehr.

Fairtrade und das EU-Bio-Logo können bei der Orientierung im Siegeldschungel weiterhelfen. Produkte mit diesen Labels müssen Mindeststandards erfüllen. Das EU-Bio-Logo ist verpflichtend für verpackte Bioprodukte. Weitere Zertifizierungen können auf strengere Produktionsbedingungen hindeuten oder bewerben diese Mindestanforderung durch andere Organisationen zusätzlich. Ist jedoch nur ein anderes Siegel ohne das EU-Bio-Logo zu sehen, sind diese Mindestanforderungen nicht erfüllt und die Verpackung ein Greenwashing-Versuch.

Die Mindestanforderungen geraten ebenfalls immer wieder in Kritik. Verbänden und Konsumenten gehen viele Vorgaben nicht weit genug. Insbesondere beim Tierwohl wünschen sich viele strengere Vorgaben. Beispielsweise sind Haltungsbedingungen in Bezug auf Auslauf und Platz pro Lebewesen laut Tierschutzorganisationen noch weit entfernt von deren Definition für „artgerecht“.

Einen Standard für viele unterschiedliche Produktionsländer zu definieren, ist eine der größten Herausforderungen für internationale Siegel. Nicht überall sind die Grundvoraussetzungen gleich, sodass die Umstellung auf eine nachhaltige Produktion ohnehin schwer ist. Strengere Kriterien würde eine Zertifizierung für einige Betriebe in diesen Ländern unmöglich machen und sie zu konventionellen Prozessen zwingen. Durch die festgelegten Mindeststandards können möglichst viele ihre Produktion umstellen und zertifizieren lassen, sodass sie auch wirtschaftlich von dem Mehraufwand profitieren.

Eine Auswahl verschiedner Produkte mit Fairtrade-Siegel und EU-Bio-Logo.

Dass es einen Unterschied zwischen zertifizierten und anderen Produkten gibt, machen bekannte und sichtbare Logos die Fairtrade und das EU-Bio-Logo deutlich. Foto © Transfair e. V. / Jakub Kaliszewski

Fazit: Nachhaltige Siegel helfen Verbrauchern, Produzenten und der Umwelt

Um mit der eigenen Kaufentscheidung ein Zeichen für eine nachhaltige Produktion zu setzen, helfen Siegel wie Fairtrade und das EU-Bio-Logo – auch über die Grenzen deutschsprachiger Länder hinaus. Sie definieren international Standards für die nachhaltige Herstellung von Produkten und gewährleisten durch ihre Zertifizierung, dass diese eingehalten wurden. Zwar verfolgen die beiden Siegel unterschiedliche Ansätze – Fairtrade steht für gerechten Handel und soziale Standards, das EU-Bio-Logo für ökologische Landwirtschaft –, ergänzen sich aber dennoch. Denn ein nachhaltiger Umgang mit den Ressourcen dieses Planeten schließt den Respekt vor Menschen, Tieren und der Natur auf der ganzen Welt ein. Kritikern gehen die definierten Kriterien deshalb nicht weit genug. Ein international festgelegtes Minimum für soziale und ökologische Herstellungsprozesse ist jedoch ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Noch mehr Inspiration für einen nachhaltigen Lebensstil

gibt‘s im green Lifestyle Magazin

im Abo, am Kiosk oder als eMag bei United Kiosk, iKiosk und Readly!

Außerdem immer informiert bleiben mit dem kostenlosen green Lifestyle Newsletter!

gibt‘s im green Lifestyle Magazin

im Abo, am Kiosk oder als eMag bei United Kiosk, iKiosk und Readly!

Außerdem immer informiert bleiben mit dem kostenlosen green Lifestyle Newsletter!