Warum ist die Heilkunde der Hildegard von Bingen hochaktuell? Und wie können wir ihr Wissen für eine gesunde Ernährung und unser ganzheitliches Wohlbefinden nutzen?

Über 800 Jahre waren die heilkundlichen Aufzeichnungen der Hildegard von Bingen verschollen, bis im 19. Jahrhundert in der königlichen Bibliothek in Kopenhagen eine Abschrift ihres Buches Causae et curae entdeckt wurde. Die darin beschriebene Heilkunde besteht aus einfachen Regeln, die uns heute wie schon im Mittelalter bei einer gesunden Lebensführung unterstützen können. Hier erfährst du mehr über die Medizin à la Hildegard von Bingen.

Hildegard von Bingen

Die Heilkunde von Hildegard von Bingen ist noch immer aktuell; Foto © Mario Breda via Shutterstock

Was die Medizin der Hildegard von Bingen ausmacht

Dreh- und Angelpunkt ist die richtige Ernährung. Aus Sicht Hildegards dienen die täglichen Mahlzeiten nicht allein der Nahrungszufuhr – sie sind Medizin zum Essen. Als Klostermedizinerin stand Hildegard von Bingen außerdem in der Tradition der antiken Elemente- und Säftelehre: Sind die vier den Elementen zugeordneten Körpersäfte Blut, Galle, Schwarzgalle und Schleim in einem harmonischen Gleichgewicht, ist der Mensch gesund.

Über die Ernährung kann laut Hildegard jeder eigenverantwortlich zu einer ausgewogenen, gesunden Säftemischung beitragen. Und egal, ob du an die Säftelehre glaubst oder nicht: Viele Empfehlungen Hildegards wurden von der heutigen Ernährungswissenschaft in ihrer Wirksamkeit bestätigt.

Hildegard von Bingen als Erfinderin des Intervallfastens

Intervallfasten bedeutet, zwischen der letzten Mahlzeit am Abend und der ersten Mahlzeit am folgenden Tag eine ausgedehnte Phase des Nichtessens einzuhalten. In der Regel entfällt dann das Frühstück oder es erfolgt erst gegen Mittag, sodass das Fastenintervall etwa 16 Stunden beträgt. Du interessierst dich für das Thema Fasten? Dann lies unbedingt auch unseren Artikel Warum Fasten gesund für den Körper ist!

Hildegard empfiehlt auch körperlich gesunden Erwachsenen einer guten Verdauung wegen erst zur Mittagszeit zu frühstücken. Diese Frühstücksmahlzeit sollte warm sein, um den Magen erst einmal auf Betriebstemperatur zu bringen. Hildegards Geheimtipp: Habermus, ein warm genossener Dinkelbrei.

Hildegard von Bingen Habermus

Hildegard von Bingens Geheimtipp: Habermus; Foto © Werner Spiess via Shutterstock

Rezept für Habermus

Zutaten für 2 Portionen

1 Tasse geschroteter Dinkel

Je 1 Messerspitze Bertram, Galgant, Zimt

1 Apfel

Saft einer ½ Zitrone

1 TL Honig

1 TL Flohsamen

1 TL Mandelblättchen

Den Dinkelschrot und den Flohsamen in der doppelten Menge Wasser oder Mandelmilch erhitzen.

Die Gewürze dazugeben und unterrühren.

Auf kleiner Flamme quellen lassen, dabei immer wieder gut umrühren.

In der Zwischenzeit den Apfel entkernen und in kleine Stücke schneiden.

Unter das Habermus mischen und mit Honig und Zitronensaft abschmecken.

Das fertige Mus in eine Müslischale geben und mit den Mandelblättchen bestreuen.

Warum Dinkel für Hildegard von Bingen so wichtig ist

In Hildegards Ernährungslehre werden die Lebensmittel entsprechend ihrem Heilwert in gute – sprich: der Gesundheit förderliche – und weniger gute eingestuft. Heilmittel Nummer eins ist der Dinkel.

„Dinkel ist das beste Getreide, fettig und kraftvoll und leichter verträglich als alle anderen Körner. Er verschafft dem, der es isst ein rechtes Fleisch und bereitet ihm gutes Blut. Die Seele des Menschen macht er froh und voll Heiterkeit.“

Hildegard von Bingen

Tatsächlich gilt Dinkel als äußerst verträglich – selbst bei Nahrungsmittelallergien. Er wirkt harmonisierend auf den gesamten Körper, was – wie man heute weiß – unter anderem an dem enthaltenen Thiocyanat liegt, einer gebundenen Blausäure, die einen vitalisierenden Effekt auf jede einzelne Körperzelle hat. Außerdem ist Dinkel besonders reich an wertvollen Eiweißen, Spurenelementen, Mineralstoffen und Vitaminen.

Welche Kräuter und Gewürze Hildegard von Bingen empfiehlt

Kräuter und Gewürze heilen durch ihre Inhaltsstoffe. Sie kitzeln den Gaumen, verführen die Nase, erregen die Sinne, beflügeln unsere Fantasie und öffnen den Geist. Vor allem zwei Gewürzen wird von Hildegard eine besondere Heilkraft zugesprochen:

Bertram

Von dieser der Kamille ähnlichen Pflanze wird nur die Wurzel verwendet und in gemahlener Form über jedes Essen gestreut. Bertram unterstützt die Speichelbildung und die Arbeit der Bauchspeicheldrüse – wir verdauen besser und haben keinerlei Völlegefühl.

Galgant

Der zu den Ingwergewächsen zählende Galgant gilt laut Hildegard als Gewürz des Lebens. Das aus der vermahlenen Wurzel gewonnene Pulver schmeckt pfeffrig-zitronig und kann zum Würzen vieler Speisen verwendet werden. Es wirkt als Aphrodisiakum und Schmerzmittel, bei Durchblutungsstörungen und Magen-Darm-Krämpfen sowie entzündungslindernd. Seine unterstützende Wirkung bei der Vorbeugung und Behandlung von Krebs wird gerade erforscht.

BUCHTIPP:

Hildegard von Bingen: Heilpflanzen, Ernährung und Heilkunde

Die Autorin Claudia Ritter erläutert in diesem Buch die drei Schwerpunkte der Hildegard-Medizin: Heilpflanzen von Akelei bis Zitwer mit Rezepten zum Nachmachen, Hildegards Fasten- und Ernährungsempfehlungen sowie ihre ganzheitliche Heilkunde.

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Weitere Ernährungsregeln der Hildegard von Bingen

Neben dem täglichen Verzehr von Dinkel sowie der Verwendung von Kräutern und Gewürzen, wie Bertram oder Galgant, hält die Ernährungslehre der Hildegard von Bingen weitere Regeln für uns bereit:

Milchprodukte, Eier, Fleisch

Auch Lebensmittel tierischen Ursprungs unterteilt Hildegard in gute und weniger gute. Von der Kuhmilch seien demnach nur Sahne und Butter zu empfehlen. Was Käse betrifft, rät sie zum Verzehr von Produkten aus Ziegen- oder Schafsmilch. Weichgekochte Eier sind ihrer Meinung nach bekömmlicher als hartgekochte und Fleisch sollte eher selten gegessen werden. Wenn doch, dann vorzugsweise solches vom Hirsch, Reh, Lamm oder Ziege sowie Geflügel. Süßwasserfische aus Fließgewässern sind laut Hildegard am gesündesten, beispielsweise Saibling, Zander oder Hecht.

Viel Obst und Gemüse, aber keine Rohkost

Obwohl Hülsenfrüchte wie Kichererbsen sowie bestimmte Obst- und Gemüsesorten in Hildegards Ernährungslehre eine große Rolle spielen, rät sie von Rohkost ab. Diese belaste den Körper, während gekochte, gegarte oder gebratene Speisen generell besser vertragen würden. Als heilsames Gemüse betrachtet sie Edelkastanien, Fenchel, Wurzelgemüse, Rote Bete, Kürbis und Zucchini, Mangold, Spinat und Gartenmelde sowie Artischocken.